Wo seit 1998 bis 2018 die Palme de Beirut ihre Wurzeln schlug, hat vor nicht allzu langer Zeit ein russischer Arzt namens Schiwago mit Hang zu polyamourösen Liebschaften seine Zelte errichtet.
Das, liebe Leser, entspricht zugegebenermassen nicht der ganzen Wahrheit und sollte lediglich einen Hinweis darauf geben, woher das neueröffnete Restaurant an der Bertastrasse seinen Namen bekam. Der bekannte Zürcher Gastronom Christian Egger (Café Boy, Tessinerkeller, Grüntal) benannte sein neustes Baby nämlich nach dem Filmklassiker Doktor Schiwago aus dem Jahre 1965.
Die Küche, die Christian Egger in seinem Schiwago zum Besten gibt, erinnert tatsächlich gewissermassen an den gleichnamigen, zeitlosen Film: Klassisch aber nicht antiquiert, exotisch aber nicht befremdend.
Grasshoppers zur Vorspeise
Der Anblick der ersten Zeilen auf der Speisekarte fährt mir durch Mark und Bein (schlechtes Wortspiel beabsichtigt): Als Vorspeise wird Markbeinsalat gelistet. Einer meiner persönlichen Favoriten. Scheinbar leider nicht nur meiner, denn leider ist genau dieses Gericht ausverkauft. Schade, aber auch ein gutes Zeichen, wenn gewisse Sachen auf der Karte nicht mehr verfügbar sind. Entweder erfreuen sich hier besagte Speisen hoher Beliebtheit oder es wird knapp kalkuliert um der Zutatenverschwendung, kurz Foodwaste, vorzubeugen.
Mittels natürlicher Selektion bleiben also noch zwei andere Vorspeisen übrig: Kiotu Salat mit Heuschrecken und die Hummersuppe. Wir bestellen beides. Eine Zigarettenlänge später stehen die zwei Gerichte bereits bei uns auf dem Tisch.
Aufgespiesst und in eine Melone gesteckt zirpen mich die drei frittierten Heugümper direkt an. Stehen die frittierten Heuschrecken vielleicht auch sinnbildlich für die Derby-Rivalität der Stadtzürcher Fussballclubs? Dass das Lokal bzw. dessen Besitzer Sympathien für den stadtechten Arbeiterfussballclub hegt, daraus wird kein Hehl gemacht.
Doch zurück zum Essen: Ein bisschen skeptisch bin ich, denn in dieser Form habe ich die Wiesenhüpfer noch nie verköstigt. Ich bin jedoch positiv überrascht, denn Konsistenz wie auch Geschmack können überzeugen. Die Wakame Algen und der Roseningwer geben dem Salat noch einen zusätzlichen Kick. Auch die Hummersuppe oder Bisque, wie sie in der traditionellen französischen Küche ebenfalls genannt wird, kann mit intensivem Geschmack und guter Würze überzeugen. Eine deftige und gleichsam mundende Vorspeise.
Wildschweinische Träume
Leichte Entscheidungen zu treffen ist beim Menü im Schiwago nicht einfach. Alles klingt verlockend und trifft für mein Gusto voll ins Schwarze. Vom Cordon-Bleu über die Wildspezialitäten bis zu den Muscheln – ich würde am liebsten alles bestellen. Der Saisonalität zuliebe entscheiden wir uns beide für die Wildoption. Einmal Hirschmedaillon für den Kollegen und für mich das Wildschweinpfeffer.
Die Spätzli frisch und perfekt gebraten ergeben mit dem Rotkraut zusammen die perfekte Ergänzung zu den Wildspezialitäten. Unüblich dabei ist, dass die Marroni im Rotkraut serviert werden und nicht, wie so oft, separat karamellisiert aufgetischt werden. Eine willkommene und gelungene Abwechslung. Der mit Schnaps und Nuss gefüllte Apfel bringt die nötige Erfrischung.
Das Wildschweinpfeffer ist ein Traum und vergeht wortwörtlich auf der Zunge. Die Sauce ist perfekt und macht dem Namen «Pfeffer» alle Ehre, ohne dabei die anderen Geschmäcker zu überdecken. Das Hirschmedallion ist laut meinem Gegenüber auch sehr lecker, jedoch wäre ein bisschen mehr Sauce dazu willkommen. Dies stellt jedoch kein grosses Problem dar, da es in meinem Wildschweinpfeffer reichlich hat um davon, zwar ungern wegen so köstlich, etwas abzugeben.
Reiserelikte statt anbiederndem Interieur
Für die Nachspeise haben wir leider kein Magenvolumen mehr übrig. Schade, denn die gebrannte Creme klingt verlockend. Dafür haben wir Zeit, uns noch etwas im Interieur des Restaurants umzuschauen.
Eine langweilige Innenausstattung suchst Du hier vergebens – heimeliges Kuriositätenkabinett trifft es hier eher! Auf seinen zahlreichen Reisen in der ganzen Welt sammelte sich Egger wahrlich Material für ein kleines Museum an. Wären da nicht ab und an feine Gerichte vor mir auf dem Tisch, könnte ich mich hier glatt stundenlang nur an der einzigartigen Raumdeko ergötzen
Fazit und Wichtiges zum Schluss
Das Schiwago ist definitiv nicht nur einen, sondern mehrere Besuche wert. Das Restaurant in Wiedikon bietet eine solide und ehrliche Küche, welche einem eine wahre Freude bereitet. Geöffnet ist die gute Stube von Dienstag bis Samstag jeweils ab 17:00 Uhr.
Reservieren lohnt sich generell und speziell am Wochenende. Die Karte wechselt immer mal wieder aber ohne Zwänge und strikte Konventionen. Anfangs neues Jahr kommt dann auch noch eine Metzgete auf die Karte. Wir bleiben und sind gespannt!
Schön wäre auch ein direkter link zur jeweiligen homepage.
Elke
Liebe Elke
Merci vielmal für den Hinweis: Wir verlinken wenn immer möglich auf das jeweilige Lunchgate Profil bzw. die eigene Website des Restaurants – das Schiwago ist aber (leider) überhaupt nicht auf dem Internet vertreten, weder mit E-Mail oder eigener Homepage! Wir finden auch, dass da noch Luft nach oben wäre 😉 Aber bis dahin heisst es wohl: anrufen & reservieren – ihr werdet es nicht bereuen! Liäbs Grüässli us dä Redaktion