Seit wenigen Wochen kann man auf dem Löwenbräu-Areal unterirdisch essen. Unterirdisch? Was zuerst etwas abstrus klingen mag, ist jedoch sehr sympathisch. Einmal in den Lift gestiegen und in das erste Untergeschoss gefahren, betreten wir direkt das Restaurant Mémoire. Ein äusserst freundlicher Serviceangestellter empfängt uns und stellt sich als Sebastian vor.
Chef's table à discrétion
Das Interieur ist schlicht, aber sehr passend eingerichtet. Das ganze Restaurant besteht aus einem Raum: Auf der einen Seite befindet sich die offene Küche, auf der anderen stehen Kühlschränke, in denen das Essen gelagert wird. Dazwischen befinden sich elf Tische, welche bei unserer Ankunft schon praktisch alle besetzt sind.
Unser Tisch ist in der Pole-Position, er steht in der ersten Reihe direkt vor dem Herd. Von hier aus haben wir einen guten Überblick über die gesamte Küche. Ein schönes Stück Rohschinken vom Simplon wird gerade dekorativ in Szene gesetzt.
Dank dem lebhaften Treiben in der offenen Küche vergessen wir schnell, dass wir in einem Keller sitzen und es praktisch keine Fenster hat. Die einzigen Fenster befinden sich entweder an der Decke, aus welchen der Gast in den oberen Stock sehen kann, oder etwas erhöht in Richtung Dammweg, wo er nicht viel mehr als Beine von Passanten oder Fahrradräder erspäht.
Sharing is Caring
Die Karte ist klein und übersichtlich. Es gibt verschiedene, kleine Apéro-Gerichte, welche zwischen 3 (Harissa-Paste) und 21 Franken (Rohschinken) kosten.
Obwohl das Restaurant mittlerweile bis auf den letzten Platz besetzt ist, müssen wir nicht lange warten, bis wir beobachten können, wie unsere Vorspeisen angerichtet und serviert werden. Alle unsere Vorspeisen-Teller werden in die Mitte des Tisches gestellt – getreu dem Sharing-Prinzip, dem neuesten Trend der Zürcher Gastroszene, so auch im Lotti am Werdmühleplatz.
Der gebratene Spinat-Salat mit Onsen-Ei, Quitten und Belper Knolle überzeugt uns sehr. Das Ei, für 60 Minuten im Wasserbad bei einer Temperatur von 64° Grad gegart, ist perfekt in der Konsistenz. Ergänzt mit Spinatwurzeln, schön knusprig frittiert, und den leicht süsslichen Quitten entsteht ein sehr harmonisches Gericht.
Die Agnolotti, gefüllt mit Marroni, Pastinake und Ahornsirup, sind auf den Punkt gegart, dazu gibt es gebratenen Federkohl. Küchenchef Chris reibt direkt an unserem Tisch ein Stück reifen Parmigiano auf die fein gefüllten Täschchen aus Pastateig und vervollständigt damit eine weitere Vorspeise.
Unsere dritte Vorspeise setzt sich aus Lachsforelle, Apfel, zweierlei Sanddorn und gelben Randen zusammen. Dazu gibt es einen süsslichen, mit Turicum Gin aromatisierten Sud, mit dem der Fisch kurz mariniert wird. Die säuerlichen Wildbeeren ergänzen die Marinade und machen in dieser Kombination richtig Freude.
Saisonal und meist auch regional
Meine Begleitung verzichtet auf einen Hauptgang, da die Vorspeisen eine anständige Grösse hatten und sie sich den restlichen Platz für ein Dessert aufsparen will. Ich jedoch, als Nimmersatt, habe mir den am Knochen gegrillten Seeteufel mit eingelegten Mandarinen und Brunnenkresse bestellt. Der Seeteufel ist perfekt gegart und lässt sich problemlos vom Knochen lösen.
Zusätzlich bekomme ich zwei Schalen, eine mit knackigem Gemüse und eine mit Kartoffelstock. Das Gemüse stammt aus der Region (Gärtnerei Brunner, Bassersdorf) und ist sehr saisonal zusammengestellt. So gibt es unter anderem Pastinaken, Lauch oder Schalotten, alles im Big Green Egg zubereitet. Das in relativ grosse Stücke geschnittene Gemüse war für meinen Geschmack etwas zu wenig gegart und zu knackig. Allen voran die Schalotte, von der ich mindestens zwei ganze Stücke drin hatte.
Der Kartoffelstock liess jedoch die kleine Enttäuschung schnell vergessen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal einen derart guten Kartoffelstock gegessen habe. Perfekte Konsistenz und Geschmack, obendrauf eine Handvoll knusprige Kartoffelchips – wow!
Weniger ist mehr
Zum Abschluss eines bis jetzt sehr gelungenen Dinners, haben wir die beiden einzigen Desserts auf der Karte bestellt. Wir konnten uns nicht viel unter einer gebackenen Schokoladenmousse vorstellen und fragten daher Sebastian, der uns schon den ganzen Abend sehr zuvorkommend bedient hatte. Nachdem er uns fachkundig beraten (und davon überzeugt) hat, werden die Desserts schon bald serviert.
Am besten stellt man sich eine Mischung aus einem Schokoladenküchlein und einer Schokoladenmousse vor, dazu gab es ein Sauerrahm-Espuma. Dass diese Kombination funktioniert, war mir von Anfang an bewusst, ich würde sagen, das ist mittlerweile schon fast ein Klassiker.
Das zweite Dessert war hingegen etwas unkonventioneller. Es gab ein frisch gefrorenes Sorbet vom Sauerampfer mit einer Balsamico-Reduktion und karamellisierten Nüssen. Das leichte Dessert mit seiner süss-sauren Kombination hat uns sehr positiv überrascht und war ein überzeugender Ausklang.
Der INSIDER empfiehlt
Zu zweit haben wir 170 Franken für das Essen plus vier Gläser Wein und Wasser bezahlt, was angesichts der Qualität der Produkte ein fairer Preis ist. Ich empfehle das Restaurant Mémoire jedem, der gerne spezielle Kreationen in einer guten Atmosphäre geniesst. Da es sich mittlerweile herumgesprochen hat, wie gut das Essen hier ist, lohnt es sich frühzeitig zu reservieren.