Es war einmal… ein perfektes italienisches Restaurant im Kreis 5. Von der einfachen Karten mit originellen, saisonalen Gerichten zur überaus stilvollen Atmosphäre einer ehemaligen Autogarage bis hin zum Koch, der in der einsehbaren Küche von Hand Ravioli faltete, war dieses Restaurant ein überaus gelungenes Konzept. Zumindest dachten wir das, obwohl uns auffiel, dass das Restaurant nie so voll war… und wir dann im letzten Herbst plötzlich vor verschlossener Türe standen.
Wo früher das «Times» war, eröffnete das Co Chin Chin und eroberte die Herzen der Zürcher im Sturm. Nur wir trauerten den schönen Zeiten im Times nach… und fragten uns, was aus dem Koch wurde, der einst voller Herzblut in der Küche waltete und sich überaus freute, wenn man sich die zwei letzten Ravioli auf dem Teller für zu Hause einpacken liess.
Es gibt ein Happy End: Der Koch hat ein neues Zuhause gefunden. Seit März kocht Giovanni Melis im Restaurant «Zum Grobe Ernst» im Niederdörfli und serviert sardische Spezialitäten an einer Tavolata. Wir haben ihn besucht.
Es wird Zeit für ein Niederdörfli Revival
Das Niederdörfli hat nicht mehr den besten Ruf – für Essen und Ausgang gehen viele Zürcher lieber in die Region Langstrasse. Dabei schwillt unter den Touristenströmen und den billigen Shops noch immer viel Quartiergeist und Kultur im Niederdörfli. Das schätzt auch Giovanni Melis am neuen Zuhause im Grobe Ernst (der Name stammt übrigens von seinem Gründer und ersten Gastwirt, Ernst Grob).
Sein Lokal ist ein nicht zu gestylter Mix von Neu und Alt. Und die Atmosphäre ist so, wie man es sich von den besten italienischen Restaurants wünscht: Nach ein, zwei Stunden schwebt der Geist irgendwo im Raum umhüllt von Gastlichkeit, Wärme und zwei Gläsern Rotwein und freut sich an den Geschichten aus dem fernen Sardinien, die das Essen erzählt.
Aber alles der Reihe nach.
Köstlichkeiten aus Süditalien
Für den abendlichen Besuch des Groben Ernsts nimmt man sich am besten etwas Zeit und eine essfreudige Begleitung und bestellt die Tavolata (und nicht à la Carte). Dann wird ordentlich aufgetischt: Frischer Pulpo an Zitrone und Petersilie, ein Linsen-Speck Eintopf, herausgelöste und eingelegte Salsiccia, geschmolzener Käse mit Pilzen, die Risottokugeln Arancini, getrocknete Wurst und einiges mehr bilden nur schon den Auftakt.
Die Pasta im nächsten Gang besteht aus typisch sardischen Malloreddus, die an kleine Gnocchi erinnern, und dank Tomaten, Käse und Kräutern nach sardischem Sommer schmecken. Dazu landen auch die bei uns weniger bekannte Fregola, kleine sardische Pastakügelchen, auf dem Tisch. Der nächste Gang ist ein Fischfilet mit „crosta patate“ – einer knusprigen Scheibe Kartoffel und ein Kaninchen-Wickelbraten, der überaus herzhaft schmeckt.
Die Tiramisu Nachspeise ist weit entfernt vom Mascarpone-Kakao Gemisch, das vielerorts serviert wird. Stattdessen geniessen wir einen luftigen, im Glas getürmten Berg von Vanillecreme mit Orangenblütenwasser, weichem Bisquit und einem Hauch Schokolade.
Bedienung – so wird aufgetischt
Für den groben Ernst gibt es eigentlich nur zwei Empfehlungen: Man bestellt die Tavolata und überlässt sich dann dem Gastgeber Melis.
Wer mit fixen Vorstellungen und eigenem Zeitplan eintritt, sollte wohl besser im «The Butcher» daneben auf einen Burger einkehren. Wer aber loslassen kann und sich vollumfänglich bewirten lassen möchte, ist hier an der richtigen Adresse und wird reich belohnt. Egal wie voll der grobe Ernst ist (wobei es eine überschaubare Anzahl Tische gibt) – Melis vergisst garantiert keinen Gast und taktet mit viel Gefühl und Schwung die Speisen als eine Reise durch Sardinien. Man überlässt ihm getrost die Regie: Warum selber ein Menu zusammenstellen, wenn er der Kenner ist? Seine Tavolata besteht aus sardischen Spezialitäten, die vorher den ganzen Tag lang zubereitet wurden. Denn die italienische Küche braucht sehr viel Zeit und das weiss keiner besser als Melis.
Preis – so viele Münzen bleiben liegen
Einmal quer durch Sardinien und fast ein Dutzend verschiedene Gerichte kosten 69 Franken. Da die Zutaten ausgezeichnete Qualität haben, die Menge reichlich ist und die Gerichte hausgekocht sind, ist das ein Freundschaftspreis. Noch freundlicher ist das Angebot am Mittag: Es gibt eine Hauptspeise mit Fleisch oder Fisch inklusive Salat oder Suppe und Kaffee für 24 Franken. Wer im Kreis 1 ein neues Stammlokal zum Mittagessen sucht, wo man sich ein bisschen einer grossen Verwandtschaft zugehörig fühlen kann, sei dieses Lokal wärmstens empfohlen.
Der INSIDER empfiehlt
Sie ist ein vielzitiertes Klischee, doch zum Glück gibt es sie tatsächlich: die italienische Gastfreundlichkeit. Wer sich gut augehoben und verpflegt wissen möchte, sollte Giovanni Melis Tavoloata im grobe Ernst unbedingt einen Besuch abstatten, am besten an einem der kommenden Regentage. Denn ob es nun das Essen sein wird oder der Gastgeber – eines von beidem erwärmt das Herz garantiert.
An dieser Stelle herzlichen Dank an den groben Ernst für die grosszügige Einladung zur sardischen Tavolata! Unabhängig davon widerspiegelt der Inhalt dieser Restaurantkritik meine Eindrücke und persönliche Meinung.
Der grobe Ernst ist unterirdisch. Der Chef ist aggressiv den Gästen gegenüber und die Qualität der Speisen ist unterste Schublade. Hierfür Werbung zu machen setzt mir ein grosses Fragezeichen in den Kopf.
Lieber Herr Zürcher, das tut uns Leid, dass Sie schlechte Erfahrungen im Zum Grobe Ernst gemacht haben. Unser Beitrag war eine Momentaufnahme von vor 2 Jahren und keine Werbung, sondern ein objektiver Restaurantbesuch, wobei wir immer unseren Eindruck vor Ort schildern. Liebe Grüsse aus der Lunchgate Redaktion
Der Grobe Ernst gehört nach wie vor der Stadt (Liegenschaftenverwaltung), die es an Herrn Melis vermietet hat. Von einem „ehemals städtischen Restaurant“ zu schreiben, ist also falsch.
Danke für den Hinweis, wir haben es korrigiert!