Im Fachjargon heissen sie Helvetismen, die Eigenarten, die wir Schweizer in unserer Sprache pflegen. Sie motzen unsere Dialekte so zünftig auf und lassen das Hochdeutsche neben dem Schweizerdeutsch geradezu verblassen. Denn: Gibt es aussagekräftigere Pendants für die Hundsverlochete, den Füdlibürger oder die Cervelat-Prominenz? Nein!
Und deshalb folgt hier ein zweites Plädoyer für die ausgefallensten Helvetismen, die Du in Deiner Küche noch nie gesehen, geschweige denn gehört hast!
1. Das Kerngehäuse des Apfels
Es wäre eigentlich so einfach: „Das Kerngehäuse des Apfels“ . In der Schweiz gibt es wohl kein anderes Wort, das dermassen vielfältig variiert wird: Bäck, Bätschgi, Bätzgi, Buschgi, Butze, Giegi, Güegi, Gröitschi, Grääni, Güexi, Güürbis, Spuele, Urssi, Üürbsi … die Liste ist noch um einiges länger. Und wer hat das erfunden? Klar, die Schweizer!
Das Kerngehäuse in seinen Schweizerdeutschen Variationen. Foto: Lunchgate/Larissa
2. Der Anschnitt des Brotes
Wenn wir grad bei der Vielfalt von Begriffen sind, hier noch ein weiteres Paradebeispiel aus der Trickkiste des Schweizer Dialekts. Die einen nennen ihn Bödeli, andere Ahöilig, die nächsten Chröpfli, woanders ist es der Gibel oder der Gupf, manchmal auch der Motsch, Mürgu oder Mügger und für die Letzten der Rouft. – Gemeint ist aber eigentlich immer das gleiche: ein Brotanschnitt.
Wer soll denn da noch den Durchblick haben? Klar, die Schweizer!
3. Tieraugen und Hühner zum Frühstück
Zu einem ausgiebigen Brunch gehört nebst frischem Brot natürlich das Ei in seinen vielfältigen Erscheinungen. Je nach Region kann dieses aber fast karnivoristisches Ausmass annehmen. So wird das Spiegelei zum Stierauge, die Omelette zum Göggutätsch und dem Göggeli schneidet man nach dreiminütiger Kochzeit traditionell den Kopf ab und tunkt das Brot in sein Inneres.
Das Ei ist nicht nur kulinarisch, sondern auch sprachtechnisch extrem vielseitig. Foto: Lunchgate/Larissa
4. Gummelstunggis zum Znacht
Kassandra hat in Teil 1 von der Häppere gesprochen, die ihr einst an einem Bauernmarkt im Kanton Fribourg verkauft wurden. Wie uns ein Leser darauf aufmerksam gemacht hat, heisst die Kartoffel im Kanton Schwyz ebenfalls ganz lustig, nämlich Gumel. Und der Kartoffelstock der Schwyzer Bäuerin wird somit kurzerhand zum Gummelstunggis.
Egal ob Häppere oder Gumel – wir meinen die Kartoffel. Foto: Lunchgate/Larissa
5. Fisel im Speckmantel
Kaum jemand wird erraten, was in Brienz mit dem (oder der?) Fisel gemeint ist. Um ein bisschen auf die Sprünge zu helfen, folgt hier ein Rätsel: Das weibliche Gemüse ist grün, langgezogen, manchmal blanchiert, gekocht oder gelegentlich auch angebraten und mit Speck umwickelt: Genau, die (oder der?) Fisel ist zu Deutsch eine Bohne.
6. Für Fruchtwähen geeignet
Kassandra sprach vom Meertrübeli – und ich spreche von Ribiseli. Denn so wird die Johannisbeere in gewissen Kantonen auch noch genannt. Ob Meertrübeli oder Ribiseli, die kleine rote Strauchfrucht ist immer lecker auf einer Fruchtwähe, oder, wie es die Thurgauer und Schaffhauser zu sagen pflegen, auf einer Dündlä.
7. Die Königin der Beeren
Und wenn wir schon bei den Beeren sind: die Erdbeere ist in der Schweiz wohl die Begehrteste von allen. Mit ihrer knallroten Farbe wächst sie in jedem gepflegten Gartenbeetchen oder aber am Waldrand, dort allerdings im Mini-Format.
Ob klein oder gross, das Prädikat ‚königlich’ hat sie wohl mehr als verdient. Und mit dem Fribourgischen Ausdruck Häpöri bleibt sie immer noch royal – und erntet zudem noch das eine oder andere Schmunzeln.
Total royal – das Häpöri. Foto: Lunchgate/Larissa
8. Ein Wort wandert über die Passhöhe
Diese Kuriosität stammt aus dem romanischen Sprachkreis und hat irgendwie, aus wirklich unbekannten Gründen, seinen Weg über den Gotthard geschafft. Und darum nennen die Urschweizer den schlanken, grünen, würzigen Stängel, der sonst gern als Lauch bezeichnet wird, noch immer Poor. Die Innerschweizer Spezialität ‚Riis ond Poor’ ist also nichts geringeres als ein sämiges Lauchrisotto.
Jemand schon einmal was von Poor gehört? Foto: Lunchgate/Larissa
Kennst Du noch mehr Kurioses aus dem Küchenjargon? Dann schreib es uns in den Kommentaren oder via insider@lunchgate.com.
Unter „huhn“: neben „Göggeli“ besteht auch der Ausdruck „Güggeli“ (senslerdeutsch)
Ribbel gleich Maispolenta am nächsten Morgen angebraten zum Frühstück. Ev. auch Türggenribbel genannt, kann mich nicht mehr erinnern woher? Rheintales Ausdruck aus Widnau SG
Ein wirklich netter Artikel und ansprechender Artikel. Bei der Geografie könnte man noch ein bisschen nachbessern. Klar, auch kein einfaches Thema, bei den vielen Pässen und Sprachregionen. Will man von der Region des romanischen Sprachkreises in die Urschweiz fahren, führt der Weg bestimmt nicht über den Gotthard. Welcher Pass könnte das wohl sein? 🙂
Lieber Andy,
danke für dein Feedback. Freut mich, dass dir der Beitrag gefällt.
Meine Geografiekenntnisse sind tatsächlich nicht so schlecht, wie du denkst; vielleicht eher meine Fähigkeit, mich sprachwissenschaftlich korrekt auszudrücken. Dein Einwand hat tatsächlich Berechtigung. Denn der Ausdruck «romanischer Sprachkreis» ist, im Bezug auf die Schweiz, tatsächlich ein bisschen irreführend. Er betrifft nämlich sowohl das Rätoromanisch – dann wäre der Ausdruck «Poor» über den Oberalppass gekommen – als auch die italienisch Sprache.
Lange Rede kurzer Sinn: Der Ausdruck «Poor» ist von Italien, ins Tessin und dann weiter über den GOTTHARD in die Urschweiz gewandert.