Wer kennt noch das Tamagotchi? Ja, ich (leider) auch. Jeden Tag musste dieses virtuelle Küken gefüttert werden, damit es nicht stirbt.
Nun, in den letzten Tagen fühlte ich mich in diese Zeit zurückversetzt. Diesmal pflegte ich jedoch kein Elektronikspielzeug, sondern einen Sauerteig; oder besser gesagt „Nörvi“. Ihr habt richtig gelesen. Ich habe meinen Sauerteig – bzw. vorerst mein Anstellgut – getauft. Weil er Liebe, Zuneigung und viel, sehr viel Zeit braucht. Und weil er mir in den letzten zwei Wochen schon ein bisschen ans Herz gewachsen ist. Auch wenn er manchmal ganz schön meine Nerven (daher sein schöner Name) strapazierte.
Backen war schon immer ein Hobby von mir. Nichts übertrifft den Duft von frischem Brot am Morgen. Doch an einen Sauerteig habe ich mich noch nie gewagt, obwohl ich mich beim Bäcker oft dafür entscheide. Hinter meinem Zögern steckten zwei Dinge: Ein wenig Angst, und, ich geb’s zu, Faulheit. Eine einfache Beschreibung in einem Rezeptheft hat mich schlussendlich trotzdem dazu bewogen, das Experiment zu wagen.
Und ich musste feststellen, dass die ganze Prozedur gar nicht schwierig ist, sondern einfach zeitaufwändiger als backen mit Hefe. Und so viel sei schon mal verraten: es lohnt sich. Und wie!
Sauerteig – Eine kurze Erklärung
Was steckt hinter dem Begriff Sauerteig? Wir möchten hier nicht die komplizierten, chemischen Prozesse erklären; schliesslich wollen wir ja niemanden vom Backen abhalten. Eine kurze Erklärung, was ein Anstellgut und ein Sauerteig sind und was ihn so speziell macht, darf aber nicht fehlen. Von unseren liebsten Brotblogs Hefe und mehr, Bäckerlatein und BesonderGut, haben dir die nachfolgenden Infos zusammengetragen.
Wenn Wasser und Mehl vermischt werden und die Mischung einige Stunden stehen gelassen wird, bilden sich Hefen und Milchsäure-Bakterien, die sich vermehren. Es bildet sich eine Mikrofauna aus, die sich anhand der Bläschen erkennen lässt. Durch die wiederholte Zugabe von Wasser und Mehl werden fortlaufend Säuren gebildet. Nach einigen Tagen hat man so ein fertiges Anstellgut. Ein Teil davon wird dann jeweils verwendet, um zusammen mit Mehl und Wasser den Sauerteig zu machen, der wiederum mit den restlichen Zutaten (Mehl, Wasser, Salz, etc.) für das Brot verwendet wird. Der Rest des Anstellguts hält sich über Wochen im Kühlschrank und muss nur wöchentlich und/oder vor dem Backen gefüttert werden.
Wieso aber tut man sich das an, wenn backen doch so einfach wäre? Sauerteigbrot bringt viele Vorteile mit sich. Der Sauerteig dient nicht nur als Triebmittel, Säuerungsmittel und Aromageber, sondern hält Brot länger frisch, beugt Schimmel vor und macht Roggenmehl backfähig. Ausserdem sind Sauerteigbrote besser verdaulich – womöglich der wichtigste Vorteil.
Das Vorgehen – Futter, Hingabe und Zeit. Viel Zeit.
Ein Rezept im Fooby Magazin hat mich dazu gebracht, endlich ein Sauerteigbrot von A bis Z herzustellen. Weil es tausende Rezepte zur Sauerteigherstellung gibt, muss man sich für eines entscheiden und bei diesem bleiben. Viele Wege führen bekanntlich nach Rom – oder zum Sauerteigbrot. Während des Prozesses stellte sich leider heraus, dass die Beschreibung fehlerhaft war – glücklicherweise konnte ich mein Anstellgut noch retten. Hier der Link zum richtigen Rezept.
Erstaunlicherweise war das Aufziehen des Anstellguts wirklich sehr einfach und braucht nur drei Zutaten: Roggenvollkornmehl, Weissmehl und Wasser. Jeden Tag gibt man eine bestimmte Menge an Wasser und Mehlen hinzu. Zwei Tipps, damit alles gut gelingt: Verwende kein zu kleines Glas, da die Mischung am zweiten Tag stark aufgeht. Und stelle Dir einen Wecker, damit Du jeden Tag daran denkst, das Anstellgut zu füttern. Beobachte deinen Nörvi: Wie verändert sich der Geschmack? Und wie das Aussehen? Je nach Temperatur verändern sich Anstellgute unterschiedlich. Solange sich kein Schimmel bildet, muss man sich aber keine Sorgen machen. Bei Schimmel sollte der Teig entsorgt und von vorne begonnen werden.
Das Resultat – Innen (fast) luftig, aussen knusprig
Tag 13. Er ist da. Nörvi kann endlich zu einem Sauerteig verarbeitet werden. Und dann zu meinem ersten Sauerteigbrot. Wenn man das Anstellgut erst einmal hat, gibt es auch wiederum diverse Rezepte für die Fertigstellung des Brotes. Hier habe ich mich für ein Rezept von BesondersGut entschieden. Die Mischung aus Roggenvollkornmehl und Halbweissmehl hat mich überzeugt.
Wichtig: Überlege Dir gut, wann Du Zeit hast zu backen, denn das dauert gute 4,5 Stunden. Davor erstellst du einen Sauerteig, der über Nacht oder für ca. 8 Stunden ruhen muss. Zu diesem gibst Du dann Wasser und Mehl. Nach einer Autolyse von 30 Minuten wird der Teig gesalzen und noch einmal während 2 Stunden in Ruhe gelassen. Nach ein paar Faltungen muss der Teig das letzte Mal eine Stunde Ruhen. Dann endlich hat das Warten ein Ende und es heisst: Ab in den Ofen, Nörvi! Ich wünschte, Computer könnten Düfte senden. Die Wohnung duftet herrlich und die Spannung steigt. Schmeckt das Brot so gut wie es duftet? Hat sich der Aufwand gelohnt?
Definitiv. Das Brot schmeckt wunderbar und ich esse es am liebsten pur oder mit ein wenig Butter. Alles andere wäre schade. Das positive Resultet freut mich, auch wenn es noch viel Potential nach oben gibt, vor allem was die Konsistenz betrifft. Leider ist mein Teig nicht sehr stark aufgegangen, was dazu führte, dass mein Brot nicht sehr luftig wurde. Verschiedenen Berichten zufolge verbessert sich aber die Triebkraft von Anstellguten mit der Zeit. Ausserdem lernte ich aus verschiedenen Quellen, dass Sauerteigbrot sehr viel Übung braucht. Ich werde sicherlich bald wieder backen – Nörvi wartet bereits im Kühlschrank.
Fazit
Übung macht den Meister. Die Herstellung eines Sauerteigbrotes von A bis Z braucht viel Zeit, aber der Aufwand lohnt sich. Bereits mein erster Versuch ist gut gelungen – ein feines, knuspriges Brot, ohne den bekannten Nebengeschmack von Hefe. An der Luftigkeit muss ich noch arbeiten. Aber es wäre ja langweilig, wenn schon das erste Brot perfekt wäre. Und Versuchskaninchen finden sich sicher genug. En Guete!
Hast du auch schon Erfahrungen mit Sauerteigbrot gemacht? Oder hast du eine Frage an unsere Bäckerin Nadine? Dann schreib es uns in den Kommentaren oder via insider@lunchgate.com.
Hallo Nadine
Super, wie Dir Dein Sauerteigbrot gelungen ist! Backen mit Sauerteig braucht genau wie Du schreibst, Zeit und Erfahrung. Ich finde es ganz wichtig, den gesundheitlichen Aspekt nicht zu vergessen und keine Auszugsmehle zu verwenden. Einerseits wird das Brot mit Auszugsmehl geschmacklich nie so gut wie mit frisch gemahlenem Vollkornmehl, andererseits fehlen die wichtigen Vitalstoffe. In diesem Beitrag habe ich den Unterschied genau erklärt: https://quicklebendig.ch/auszugsmehl/
Vielleicht hast Du Lust, Dein nächstes Sauerteigbrot mit echtem Vollkornmehl zu backen.
Herzliche Grüsse
Felix