Kennt ihr die Leute, die immer nur Bio oder Regional essen wollen? Berührt etwas anderes ihre Lippen, verziehen sie bei jedem Bissen qualvoll ihr Gesicht. Solche Leute erzählen einem stets, wie viele Kilometer Essen aus anderen Ländern schon geflogen ist oder wie viele Zusatzstoffe in raffinierten Produkten enthalten sind. Solche Leute können einem manchmal echt auf den Wecker gehen. Und genau so eine Person bin ich. Ich liebe Bio und regionales Essen.
Während andere sich Autos oder Schuhe anschauen, steh ich vor dem Spezialitätengeschäft voller Bio-Produkte. Umso mehr hat mich das Konzept des Mitte Mai eröffneten Restaurants Wöschi gefreut. Sie verwenden nämlich nur regionale Schweizer Produkte. Das ist nicht immer ganz einfach, denn viele Produkte sind nur für eine bestimmte Zeit erhältlich. Was das bedeutet und wie das Essen in der Wöschi schmeckt, erfahrt ihr hier im Bericht.
Segler-Feeling und Ferien-Flair
Eins vorweg, allein schon die Einrichtung der ehemaligen Wäscherei begeistert. Fenster vom Boden bis zur Decke durchfluten den Raum mit Licht und präsentieren einen wunderschönen Ausblick auf den Zürichsee. Am Seeufer auf der anderen Seite sieht man vom Bürkliplatz über das Grossmünster bis hin zur Chinawiese und weiter. Auf der Galerie werde ich von einem roten Miniatur-Segelboot begrüsst, bevor mein Blick auf eine farbenfrohe Wand fällt. Sie ziert ein Kunstwerk vom Schweizer Lichtkünstler Arthur Berrini, das im Verlauf des Tages je nach Lichteinfall seine Farben ändert. Mit viel Liebe zum Detail überzeugt das junge und stylische Ambiente.
Stilvolle Einrichtung auf der Galerie der Wöschi, Foto: Lunchgate/Kassandra
Die viereckigen dunkelbraunen Tische auf der Galerie bieten Platz für jeweils vier Personen. Wir bekommen den Tisch in der Ecke hinten links direkt am Fenster. Mein Blick fällt zuerst auf die blauweisse Serviette. Kombiniert mit dem wunderschönen Blick über den See verleiht dies dem Restaurant ein gewisses Segelferien-Flair.
Echter Geschmack mit Schweizer Produkten
Mit diesem Gefühl bin ich schon gespannt auf die Vorspeise. Ich entscheide mich für die saisonal inspirierte Tagessuppe (eine Kartoffel-Rüebli-Suppe). Meine Begleitung freut sich auf den Lauch-Speck-Käse Muffin.
Siehst du hier den Käse oder Speck? Wir zuerst auch nicht. Foto: Lunchgate/Kassandra
Der Muffin ist nicht, was wir erwartet haben. Von Speck und Käse ist weit und breit keine Spur. Argwöhnisch betrachten wir den Muffin: Er ist in der Hälfte aufgeschnitten und mit einer Art Schlagrahm gefüllt. „Hier kommt das Dessert anscheinend zuerst“ zwinkere ich meiner Begleitung amüsiert zu. Wir sind im Unrecht. Der Muffin ist mit Käse gefüllt. Und der Schlagrahm hat es in sich: Die weisse Mousse ist aus Käse und Speck gemacht. Begeistert von dieser Komposition schaue ich etwas wehmütig auf meine Suppe. Doch diese ist nicht minder gut. Besonders überrascht mich der eindeutige Geschmack von den Kartoffeln und den Rüebli. Hier ist ein hervorragender Koch am Werk, der die perfekte Mischung der beiden Gemüse und etwas Rahm beherrscht.
In dieser Suppe kommt jedes einzelne Rüebli und jede Kartoffel zur Geltung, Foto: Lunchgate/Kassandra
Glücklich über den ersten Gang warten wir auf die Hauptspeise. Als langjährige, ehemalige Veganerin bin ich der Meinung, dass man ein Restaurant am besten an seinen vegetarischen Gerichten beurteilen kann. Fleisch essen die Meisten. Es wird dementsprechend oft gekocht. Die wachsende Vegetarier-Community kommt dabei häufig zu kurz. Deswegen wage ich auch hier den Versuch und wähle die vegetarischen Crespelle mit Ricotta und Spinat.
Fragst Du Dich was Crespelle sind? Ich kannte das Gericht vorher auch nicht: Hierfür wird der Pastateig ausgerollt wie ein Pfannkuchen, mit der Füllung bestrichen und wie ein Roulade gerollt. Abschliessend wird die runde Crespelle mit Käse und Tomaten überbacken.
Die leckeren Crespelle gefüllt mit Ricotta und Spinat, Foto: Lunchgate/Kassandra
Das Messer gleitet durch die Crespelle wie durch weiche Butter. Die Stückchen fallen entgegen meiner Erwartungen nicht auseinander. Zusammen mit dem grünen Pesto entfaltet sich in meinem Mund eine Geschmackskombi der anderen Art. So ein leckeres Vegi-Gericht habe ich schon lange nicht mehr gegessen, momoll! Das Wild meines Kollegen ist ebenfalls der glatte Wahnsinn. Der Rehrücken zergeht im Mund. Einen spannenden Dreh verleiht die Rhabarbersauce. Auch wenn das Wild hervorragend schmeckt, sind wir uns einig: mein Vegi-Gericht ist besser. Hier ein grosses Thumbs-Up an den Koch – Test bestanden.
Ist noch leckerer als er aussieht – der zarte Rehrücken, Foto: Lunchgate/Kassandra
Nach dem Hauptgang erfreuen wir uns am Laufstil der Jogger, die draussen dem Zürisee entlang rennen. Wir streicheln satt unsere Bäuche.
Die Käsevariation vom Willi Schmid rundet unseren Besuch in der Wöschi ab. Auch hier erwartet uns eine Überraschung. Die vier verschiedenen Käsesorten werden je mit einer ungewöhnlichen Speise serviert: Der Blauschimmel-Käse aus Jersey-Kuhmilch mit schwarzer Schokolade; der Büffelkäse mit Olivenöl, Salz und Pfeffer; der Bergfichten-Weichkäse mit Birnenbrot; und der Geissenkäse mit Aprikose. Die würzige Komponente des Geisskäses und die Süsse der Aprikose haben mir besonders gefallen.
Krönender Abschluss: die Käse Variation von Willi Schmid, Foto: Lunchgate/Kassandra
Qualität muss nicht immer teuer sein
Die Preise in der Wöschi sind extrem fair – vor allem vor dem Hintergrund, dass die Produkte aus der Schweiz stammen und stets saisonal eingekauft werden. Für die Crespelle inklusive der Vorspeise zahle ich 19.50 Franken. Meine Begleitung zahlt für den Muffin als Vorspeise und das Wild aus eigener Jagd als Hauptgang insgesamt 43.00 Franken. Die Käsevariation zum Schluss schlägt mit 8.50 Franken zu Buche. Alles in allem ist der Preis für die hervorragende Qualität des Essens aus Schweizer Produkten äusserst fair, um nicht zu sagen wirklich günstig.
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Konntest du erraten, wieso es nicht immer ganz einfach ist für ein Restaurant, stets regionale Produkte zu verwenden? Nein? Die Wöschi muss alle paar Wochen die Speisekarte wechseln, da natürlich auch die regionalen Produkte nur je nach Saison erhältlich sind. Mitte Juni beispielsweise ist die Bärlauch-Zeit vorbei. Dann wird die Karte angepasst. Ausserdem verwendet das Team der Wöschi möglichst alle Teile ihrer Produkte, ganz nach dem Motto „no Foodwaste“. Die abgeschnittenen Enden der Rüebli werden beispielsweise für eine Gemüsebrühe weiterverwendet. Das neue Restaurant neben der Roten Fabrik erfreut mein Herz als Bio- und Regio-Esserin. Das hervorragende und geschmacksintensive Essen, die fairen Preise, und die wunderschöne Aussicht über den Zürichsee lohnen einen Besuch in der Wöschi.
Kleiner Tipp zum Schluss: das Restaurant hat auch einen gemütlichen Gartenbereich, der sich für angenehme Sommerabende perfekt eignet. Ausserdem ist das Restaurant auf Gruppen spezialisiert. Bei schönem Wetter kann man den Apéro im Garten geniessen und anschliessend am fast 8 Meter langen Tisch im Parterre gemeinsam gemütlich essen.
Damit wir Dir von den hipsten Lokalen und neuesten Food-Trends berichten können, testen wir unter anderem auch Restaurants auf Einladung und gegen ein kleines Entgelt. Wir arbeiten mit Gastronomen in und um Zürich zusammen, testen Essen und berichten darüber. Dabei bilden wir uns eine eigene, objektive Meinung und kommunizieren diese in unseren Beiträgen.
Also dieses Restaurant ist einfach der Hammer! Freue mich bereits auf die nächste Speisenkarten-Änderung 🙂 Machen übrigens ein tolles Silvester-Menü, wo die Käsevariation auch dabei ist, hab ich auf der Website gesehen.
Sieht toll aus euer Restaurant!