Es herbstet wieder. Endlich! Während sich andere über das kalte Wetter und den Nebel beklagen, freue ich mich immer besonders auf die dritte Jahreszeit. Das vor allem aus kulinarischen Gründen, denn Herbstzeit heisst für mich Wildzeit. Viele Restaurants haben ihre alljährlichen Wildwochen eingeläutet und auf den Speisekarten stehen wieder Hirsch, Reh und Wildschwein mit ihren leckeren Begleitern Spätzli, Pilze und Marroni. Wer denkt da überhaupt noch ans Wetter draussen?
Weil das Wildangebot in den Restaurants nur etwa einen Monat dauert und das Angebot in Zürich gross ist, wollten wir ein Zürcher Lokal genauer unter die Lupe nehmen. Unsere Wahl fiel auf das Restaurant Hermanseck beim Bahnhof Wiedikon, das vorher noch gar nicht auf dem Blog vertreten war. Bei unserem Besuch waren wir schlichtweg begeistert, und wollen Dir darum dieses tolle Restaurant nicht mehr länger vorbehalten.
Ambiente - Viel Charme und Wohnzimmer-Flair
Wir fühlen uns sofort wohl in der beschaulichen Quartierbeiz. Nach einer herzlichen Begrüssung werden wir persönlich zu unserem Platz direkt am Fenster begleitet. Wir sitzen nicht etwa auf gewöhnlichen Stühlen, sondern auf einem Sofa und einem gemütlichen Polstersessel – bequemer geht’s nicht. Uns fallen auch gleich die kleinen Details auf, die zum Wohnzimmer-Flair des Restaurants beitragen: Da sind zum Beispiel ein Retroradio (ja, es zeigt sogar die richtige Uhrzeit an), eine alte Tischlampe und verschiedene Bücher und Zeitschriften.
Hier gibt es einiges zu entdecken und wir wären wahrscheinlich noch lange nicht aus dem Staunen herausgekommen, hätte man uns nicht gleich nach unserem Getränkewunsch gefragt. Wir bestellen ein Pale Ale von Brausyndikat, das extra für den Herman gebraut wird, und den pinken Haus-Apéro. Bald darauf werden wir zudem mit einem feinen „Gruss aus der Küche“ überrascht: einer luftigen Kürbismousse auf Fenchelsalat. Mit einem Amuse Bouche punktet ein Restaurant bei mir immer. Erst recht, wenn es so gut schmeckt, dass die Vorfreude auf das Essen noch einmal so richtig steigt. Wir sind also bereit für das kulinarisch wilde Erlebnis bei Herman.
Vorspeise - einmal klassisch, einmal überraschend
Meine Begleitung entscheidet sich für die „knackigen Blattsalate im Schüsseli“. Hübsch angerichtet und garniert mit frischem Gemüse und gerösteten Kernen. Gebratener Rotkabis und ein feines Hausdressing runden das Ganze ab. Einfach aber sehr gut. Und das ist bei einem Salat durchaus nicht selbstverständlich, denn da kann man ja bekanntlich in punkto Dressing, „Toppings“ und Präsentation viel falsch machen.
Ich wage mich an eine weniger klassische Vorspeise und bestelle das Ziegenkäse Panna Cotta mit Randen-Quitten Salat an Haselnuss-Dressing. Das Panna Cotta, das ich bis anhin nur als Dessert kannte, macht auch als Vorspeise eine gute Figur. Die Konsistenz ist wie bei der süssen Variante eine Mischung aus Crème und Pudding. Die Ziegenfrischkäsenote ist dezent, kommt aber dennoch gut zur Geltung. Auch harmoniert dessen salziger Geschmack hervorragend mit dem milden Randensalat. Die Quitte hätte ich persönlich nicht herausgeschmeckt. Sie ist aber wahrscheinlich dafür verantwortlich, dass der Salat nicht den typisch erdigen Randengeschmack hat, sondern ausgeglichen mild-süsslich schmeckt. Der Start ist geglückt.
Hauptspeise - die Wildteller überzeugen
Es überrascht nicht, dass wir für unseren Wild-Test beide ein typisches Wildgericht bestellen. Für meine vegetarische Begleitung einmal ohne und für mich einmal mit Wildfleisch. Ja, auch Vegetarier freuen sich auf die Wildsaison, denn nur zu dieser Zeit werden all die feinen, währschaften Beilagen angeboten, die auch ohne Fleisch vorzüglich schmecken. Für sie ist daher auch die Entscheidung nicht sehr schwierig. Es gibt einen Vegi-Wildteller wie aus dem Bilderbuch: Hausgemachte Spätzli an perfekt abgeschmeckter Eierschwämmlirahmsauce mit Rotkraut, Rosenkohl, glacierten Marroni und einem Preiselbeerapfel.
Ich tue mich bei der Wahl der Fleischbeilage ein bisschen schwer, entscheide mich aber nach einem kurzen Hin und Her für das Rehragout. Auch dieses Gericht ist mit viel Liebe angerichtet – für mich ein sehr wichtiger Punkt, denn das Auge isst ja bekanntlich mit. Auch der erste Stich mit der Gabel in das Fleisch verspricht Gutes: das Reh zerfällt sofort und scheint super zart zu sein. Auge und Gabel haben nicht zu viel versprochen: alle Komponenten sind köstlich. Das Fleisch ist zart, die Sauce würzig. Die Spätzli sind frisch und schmecken mild-buttrig, die mit Zwiebeln angemachten «Röselichöl» sind bissig gekocht und räumen mit ihrem Vorurteil, bitter zu sein, gekonnt auf. Das Rotkraut gefällt mir besonders gut, weil es nicht zu süss ist, die Marroni überraschen mit einer schwachen Zimtnote. Der Preiselbeerapfel verleiht dem ganzen Gericht die passende Süsse.
Ein kleiner Kritikpunkt ist alleine, dass nur ein einziges Eierschwämmli den Weg in meine Sauce gefunden hat – für mich als Pilzliebhaberin schon ein bisschen enttäuschend. Da aber das ganze Gericht so gut schmeckte, waren die fehlenden Pilzli auch schnell wieder vergessen und ich war mit meinem Hauptgang mehr als zufrieden.
Dessert - eine überraschende Geschmackskombination
Mit vollen, glücklichen Bäuchen sitzen wir uns gegenüber. Und plötzlich drückt der Kellner einen Stempel vor uns auf das Papiertischtuch. Fragend schauen wir zuerst ihn, dann den Stempeldruck an. So ein lustiges kleines Detail haben wir beide noch nie gesehen: Die beiden Dessertangebote sind nun auf unserem Tisch verewigt. Dazu wird uns ein Tagesdessert empfohlen, für das wir uns schlussendlich auch entscheiden.
Die Crème Brulée mit leichter Vanillenote ist super – in der Konsistenz sowie im Geschmack. Zusammen mit dem Feigensalat schmeckt sie noch besser. Das Tüpfchen auf dem «i» bot jedoch das dritte Element auf dem Teller: hausgemachtes Limetten-Basilikum Glacé. Was speziell klingt, entpuppt sich als ideale, leichte Erfrischung: Die Kombination aus sauer und herb überzeugt mich total. Somit war auch der letzte Gang ein voller Erfolg.
Fazit
Das Wetter kann machen was es will: Im Hermanseck fühlt man sich wohl und wird momentan mit schmackhaften Wildspezialitäten verwöhnt. Der Service ist top – sehr charmant und aufmerksam, aber nicht zu aufdringlich. Das ganze Menü hat uns super geschmeckt und auch die Preise sind angemessen. Für einen vegetarischen Hauptgang bezahlt man zwischen 26 und 30 Franken, für ein Gericht mit Fleisch zwischen 35 und 40 Franken. Wir werden bestimmt wiederkommen, denn das Hirschfilet kann ich mir ja schlecht entgehen lassen; und auch das Rindfleisch-Tatar nicht; und die Steinpilz-Ravioli erst recht nicht. Richtig: ich hoffe, der Herbst bleibt jetzt erstmal ein bisschen.
Weitere Orte für einen kulinarisch wilden Abend
Über Caduff’s Wine Loft und zwei weitere Zürcher Restaurants mit Wildgerichten haben wir übrigens bereits ausführlich im Herbst vor 3 Jahren berichtet.
Welches ist Dein Lieblingsrestaurant in Sachen Wildgerichte? Und was darf auf Deinem Wildteller auf keinen Fall fehlen? Hinterlass uns doch hier unten einen Kommentar oder schreib uns eine Mail an insider@lunchgate.com.