Dieselbe Welle wie die Panama-Papers wird das El Canal am stadtliebsten Fluss wohl nicht auslösen. Sicherlich aber ein kleiner Tsunami der Begeisterung bei Schlemmern, welche sich diese und nächste Woche trotz Ende der regulären Badesaison ins charmante Lokal am Oberen Letten an der Limmat wagen.
Chefkoch René Müller hat so ganz lässig parallel zum regulären Badebetrieb im Rekordsommer mit zweitweise bis zu 1000 Essen pro Tag und dem hauseigenen Catering “Pintxo” mit diversen in-house Anlässen, noch ein Konzept für ein Pop-Up Restaurant erarbeitet. Was wie ein prädestiniertes Rezept für Desaster klingt, ist in Wirklichkeit ein kulinarischer Höhenflug. Und das erst noch zu mehr als fairen Preisen.
Die erste Welle
In Pop-ups, in denen das Sharing-Plates-Konzept gang und gäbe ist, wird man als Geniesser mit gesundem Appetit bei Zeilen wie: “Für den normalen Hunger empfehlen wir 4 Teller” tendenziell stutzig. Zu gross ist die Angst einmal mehr hungrig und leicht frustriert zuhause noch die Pastaresten von gestern aufzuwärmen. Als wir zu zweit 6 Teller in zwei Etappen bestellen, war ich erleichtert über die Versicherung der Kellnerin, dass wir später auch noch mehr bestellen könnten.
Doch ich sollte bald eines Besseren belehrt werden. Die vermeintlichen “Tellerchen” entpuppten sich auf dem Tisch platziert als ansehnliche Portionen.
Es gab:
- Geschmorte Rindskopfbäggli mit weisser Polenta, Portweinjus, Zuckermais, Kürbis und Federkohl
- Saibling Filet gebeizt mit Fenchelsalat, Randenpüree, Meerbohnen & Cashewnüssen
- Gebratenes Tofu mit einem roten Linsen Dal, Spinat, Tomaten & Koriander
Die Rindskopfbäggli liessen sich schon fast aus dem Teller schlürfen so zart waren sie. Dazu die Polenta mit Jus – ein Traum. Und als Zückerchen obendrauf der Federkohl aus dem Ofen. Als schöner Kontrast dazu der gebeizte Saibling mit leichten Fenchelsalat.
Auch beim gebratenen Tofu liess Müller nichts anbrennen. Für Vegis als Fleischalternative oft eine Enttäuschung, liess ich mir als Fleischesser der ersten Stunde einen Probierbissen nicht entgehen. Ohne ein Fleischesserklischee erfüllen zu wollen: Ich war tatsächlich erstaunt wie lecker Tofu doch sein kann.
Zweite Dünung
Angefixt durch den ersten Service und mit Appetit auf mehr warteten wir bei gemütlicher Abendsonne auf die weiteren Gerichte. Sollte im wettertechnisch launischen September Petrus doch mal wieder einen regnerischen Tag einplanen, so kann man trotzdem auf der Terrasse bleiben: Der ganze Aussenbereich vor der Küche und Bar kann in eine Art luftdichten Wintergarten umgewandelt werden.
Und dann wurde uns auch schon die zweite Runde des Essens auf wiederum farbenfrohen Tellern serviert:
- Gezupfte Kalbshaxe mit Kartoffelstock an Rotweinjus mit Artischocken & Ofenkarotten
- Flusskrebsravioli mit Katzensee-Krebs-Bisque garniert mit Portulak
- Gebratene Pastinaken auf Rollgerste und Rotkabis mit Artischocken, Sojabohnen und Petersilien-Pesto
Wieder verging einem das Fleisch vom Jungtier wie Butter auf der Zunge. Ergänzt mit dem Kartoffelstock und Rotweinjus zwar ein deftiges Gericht, aber nichtsdestotrotz einfach köstlich – auch an heissen Tagen. Die Flusskrebsravioli in der Katzensee-Krebs-Bisque überzeugten mit intensivem Aroma und den selbstgemachten Pastablättern, welche schön al dente daher kamen. Auch das vegetarische Gericht war eine Wucht: Meine Begleitung war nicht nur optisch, sondern auch von den perfekt abgestimmten Geschmäckern begeistert.
Eine Nebendarstellerin, welche sich als eines der grössten Bijous des Abends entpuppte, war die Artischocke, welche in diesem Gang Fleisch- wie auch Vegigericht begleitete. Sie wurde lediglich frittiert, aber überzeugte den Karnivor wie auch die Vegetarierin am Tisch ganzheitlich.
Nach den zwei Gängen à je 3 Tellern verflüchtigt sich jegliche Angst von der am Anfang genannten kalten Pasta zuhause. Wir sind gut genährt und müssen definitiv nicht hungrig nach Hause radeln.
Letzte Woge
Mit ansatzweise platzendem Bauch, aber dem fast schon sadistischen Verlangen nach mehr, bestellten wir den Panama-Schokokuchen mit Himbeerpulpe und frischen Himbeeren. Er sei nicht gerade leicht und man könne ihn auch gut teilen, liess man uns wissen – diesen Ratschlag nahmen wir diesmal ohne Widerstand und Widerrede an. Mit dem göttlichen Schoggikuchen verköstigen wir den importierten Panama-Rum, welcher uns eine weitere angenehme Überraschung an diesem Abend bescherte.
Unbedingt Einschiffen!
Unser Schlussfazit: Unglaubliches Essen, lokale (Bio-)Produkte, wobei auch die Nachhaltigkeit nicht zu kurz kommt. Und das alles zu einem sehr fairen Preis (3 Teller = 45.-). Ein Besuch im El Canal lohnt sich also von den Geschmacksnerven bis hin zum Portemonnaie.
René Müller empfiehlt jeweils im Voraus (bitte nur per SMS) zu reservieren. Zu Recht: Schon bei unserem Besuch am Eröffnungsabend war der Aussenbereich vollbesetzt.
Hmmm, sehr yummy sieht das aus 😉 Die Panama Bar von Roy Schadegg ist ja in der „Normalvariante“ schon sehr zu empfehlen. Mit Pop-up macht es das Naherholungsgebiet noch attraktiver. Danke für den Tipp!