Als Dschingis Khan mit seinem mongolischen Heer von Asien nach Westen ritt, hatte er als Reiseproviant «suan cai» dabei, sauer eingelegten Kohl. Das Rezept zur Fermentation hatten die Mongolen beim Überfall auf China erbeutet. Auf dem Weg nach Europa wurden schliesslich die Vorräte knapp und die Eroberer hatten den Chinakohl durch seinen europäischen Verwandten ersetzt, den Weisskohl. Damit wurde der mongolische Eroberer der Legende nach zum kulinarischen Pionier unseres Sauerkrauts.
Schon vor 1200 Jahren ein Trend
Zerkleinern, salzen, eindrücken, abwarten: Dschingis Khan soll im 13. Jahrhundert zwar das Sauerkraut erfunden haben; fermentiert wurde aber schon viel, viel, viel länger. Vor rund 1200 Jahren, als wir Menschen allmählich sesshaft wurden, verwendete man diese Methode, um Lebensmittel ohne zu Kochen für das nächste Winterhalbjahr haltbar zu machen. Dazu brauchte man keine vollautomatische Garmaschine, sondern lediglich eine Portion Gemüse oder Fisch – und viel Zeit.
Lebensmittel werden zu etwas Neuem
Fermentieren ist nichts anderes als ein kontrollierter «Verfall» von Lebensmitteln: Bleiben Obst und Gemüse zu lange bei warmen Temperaturen stehen, sorgen Bakterien und Schimmelpilze dafür, dass sie verderben. Unter bestimmten Umständen können diese aber auch ihren Geschmack veredeln. Nehmen wir zum Beispiel den Kohl: Milchsäurebakterien arbeiten an der Zersetzung des Gemüses, das vergorene Kraut lebt, es schmeckt delikater als im Rohzustand und ist zu allem noch extrem gesund.
Im Maison Manesse ist Fermentieren hoch im Kurs
Fabian Spiquel, Chefkoch im Sternerestaurant Maison Manesse, weiss dies nur zu gut: Der leidenschaftliche Fermentierer hortet in seinem Restaurantkeller über Monate, nein, über Jahre, Einmachgläser gefüllt mit Topinambur, Stangensellerie, Chili, Schalotten, Knoblauch, Yuzu, Peterli, Randen, Karotten, grünen Tomaten, Zitronen, Kohl – ja, eine schier unendliche Palette von Kräutern und Gemüse.
Sein primäres Ziel ist es dabei nicht die Haltbarkeit seiner Lebensmittel zu verlängern, viel eher geht es ihm darum, mit neuen Geschmackserlebnissen zu experimentieren: «Durch den langen Gärprozess wird das Lebensmittel nicht nur sauer, es entwickelt auch sein eigenes komplexes Aroma», so Spiquel. Hier geht es zu seinem Instagram-Account, auf dem er vieles aus seiner Arbeit in der Küche mit uns teilt.
Trend ist Gegentrend
Das Fermentieren ging schon letztes Jahr und geht auch 2018 wohl an niemandem vorbei: Neben Sterneköchen wie Spiquel oder der weltbekannte René Redzepi vom Noma in Kopenhagen, hobeln auch Hobbyköche und Foodblogger eifrig Kohl, setzen ihr eigenes Kimchi an, legen Meerrettich und Zwiebelknollen ein und übergiessen Gürkchen mit Essig. Denn fermentieren können alle – sofern sie genug Zeit mitbringen: «Der Geschmack wird besser», erklärt Spiquel, «je länger das Lebensmittel in der Salzlake ruht.»
Dies zeigt: Fermentiert wird nicht nur des Geschmackes wegen, sondern auch, um in Zeiten von Schnelllebigkeit und Hektik zurück zu den Wurzeln zu finden. Als Gegenpol zu Fastfood und komplexer Molekularküche verlangt die Fermentation vor allem eins: Geduld.
Es gibt keine Kultur, die ihre Lebensmittel nicht vergärt
«Fermentation, c’est la vie sans l’air», schrieb der französische Biochemiker Louis Pasteur in seiner Fermentationstheorie. «Fermentation ist Leben ohne Luft.»
Pasteur behielt – im doppelten Sinn des Wortes – Recht: Schätzungen zufolge sind nämlich rund ein Drittel der Lebensmittel in unseren Kühl- und Vorratsschränken fermentiert: Käse, Essig, Alkohol, Kakao, Sauerteigbrot, ja, sogar der Salami hat einen längeren Garprozess hinter sich. Milchsäurebakterien verwandeln Milch in Joghurt und Traubensaft in Wein.
«Just do it!»
Was kann beim Fermentieren alles schiefgehen? «Nichts», lacht Spiquel und erklärt, dass Hygiene und Sauberkeit die wichtigsten Kriterien für den erfolgreichen Fermentationsprozess sind. Ist das Lebensmittel sauber gewaschen und das Gefäss – vorzugsweise ein Weck-Glas – heiss ausgespült, kann praktisch nichts passieren. Das Gemüse wird Schicht für Schicht ins Glas gelegt, mit Salz bedeckt und luftdicht verschlossen. Salz und Druck entziehen dem Gemüse die Flüssigkeit, Krankheitserreger können sich in der Säure nicht vermehren.
Eingelegte Zitronen (Rezept von Fabian Spiquel, Maison Manesse)
«Just do it», so die Aufforderungen des Sternekochs, der ebenfalls mit einfachsten Experimenten angefangen hat und mittlerweile «den wohl besten Kimchi der Schweiz» im 15 Grad warmen Keller lagert. Und wie geht das Fermentieren für Anfänger? «Da empfehle ich die eingelegten Zitronen!»
Fabian Spiquels eingelegte Zitronen
- Wasche etwa 1 Kilogramm frische Zitronen.
- Schneide die Zitronen in Schnitze und lege diese dicht aneinander in ein Glas. Achte darauf, dass die Schnitze nicht zerquetschen.
- Wenn das Glas komplett mit den Zitronen ausgelegt ist, fülle es bis oben an den Rand mit Salz. Das Salz sollte auch in die kleinsten Lücken zwischen den einzelnen Zitronenschnitzen dringen.
- Schraube den Deckel zu und lasse das Glas bei 4-15 Grad – je niedriger die Temperatur desto besser – für rund zwei Monate ruhen.
- Die Zitronen sollten immer komplett in Salz umgeben sein. Ist das nicht mehr der Fall, stelle das Glas auf den Kopf.
- Nach etwa zwei Monaten, die Zitronen abschöpfen (das Salz lässt sich übrigens prima trocknen und als Zitronensalz beliebig in der Küche verwenden) und in eine mit kaltem Wasser gefüllte Schüssel geben.
- Schüssel über Nacht stehen lassen; in der darauffolgenden Nacht Punkt 6 wiederholen.
- Hebe die Zitronen aus dem Wasser und lege diese sofort in ein Glass, ohne diese zu zerquetschen.
- Koche das Zitronenwasser, lasse es leicht abkühlen und giesse es leicht kochend über die Zitronen. Verschliesse den Deckel.
- «Date it / store it / eat it»
Hier kannst Du ein PDF des Rezepts herunterladen und ausdrucken.
Und welche Lebensmittel werden in deiner Küche eingemacht? Bist Du gar Fermentations-Profi und möchtest Deine Tipps mit uns teilen? Dann hinterlasse uns doch hier einen Kommentar oder schreib uns via insider@lunchgate.com.
Cooler Beitrag. Ich habe mich gefragt: Wozu passen denn die Zitronen? Kann uns Fabian da weiterhelfen? Wie serviert er diese im Maison Manesse?
Danke Dir, liebe Lea.
Tatsächlich kann Fabian uns da weiterhelfen. Grundsätzlich gilt: Es gibt fast kein Gericht, zu dem die Zitronen nicht passen würden, kaum zu glauben, oder?
Traditionell werden diese übrigens in der marokkanischen Küche serviert, etwa zu Tajine. Fabian hingegen verwendet sie in seiner Küche vor allem für Fischgerichte, aber manchmal auch als saure Komponente in Desserts.
Ich finde das toll.. Ich glaube, ich probier das aus. Frage: Kann denn da auch etwas schief gehen? Wie merke ich das? Nicht, dass ich mir dann eine Magenverstimmung einhole.
Fabian hat schon die kühnsten und wildesten Sachen ausprobiert, doch bisher sei er vor Schlimmerem verschont geblieben…. 🙂
Nein, ehrlich: Solange man sauber arbeitet, die Gläser heiss ausspült und gut trocknet, kann nichts schief gehen. Die grösste Gefahr ist dann «nur noch» der Sauerstoff, der oxidiert, und eventuell die Textur oder der Geschmack verändert. Aber auch hier gilt: «This is not a real danger», so Fabian.