6 Tage vor dem Corona-Lockdown eröffneten Sie den Falken (ehem. Falcone) an der Haltestelle Schmiede Wiedikon. Dann die grosse Ernüchterung. Auf unbestimmte Zeit den Betrieb einstellen, hoffen und abwarten. Céline Tschanz, Florian Bopst und René Müller liessen sich aber durch diese ungewisse Zeit nicht unterkriegen. Im Gegenteil. Das Nest des Falken wurde in der Zwangspause aber weder marode noch energielos sondern strotzt vor kreativer Energie, motiviertem Personal und punktet mit chiquem Interieur und ausgiebiger Terrasse.
Möglicherweise wurde diese Metapher jetzt vom Autor etwas zu fest und planlos geschlachtet, aber eins muss über das neue Gastrogespann an der Haltstelle des 67er-Bus schon im Vorhinein gesagt werden: Die können wirklich was und sind alles andere als planlos.
QR-Codes und Onseneier
Statt einer physischen Speisekarte liegen auf den Tischen verteilt laminierte QR-Codes. Eine smarte Idee, um nicht kontaminierte Speisekarten herumreichen zu müssen, oder eben jene nach jedem Gast akribisch zu reinigen. Das Mittagsmenü kann man via dem Lunchmail von Lunchgate einsehen. Das Speise- und Getränkeangebot im Falken ist zudem reichhaltig: Eine reguläre Speisekarte, die Mittagsmenüs und am Abend noch eine zusätzliche Abendkarte. Vegetarier, Veganer und Pescetarier finden zudem auf jeder Karte etwas.
Am Mittag zur Vorspeise, passend für diesen heissen Sommertag, gibt es einen frischen grünen Menüsalat mit Hausdressing und einem Onsen-Ei mit Estragon-Mayonnaise auf Rollgersten mit Kräutern, Stangenbohnen, Karotten und Erbsen. Das Gemüse ist knackig wie es sein sollte, der Salat frisch und das Onsen-Ei gibt dem Salat noch das gewisse Etwas. Die Vorspeise an und für sich würde für jemanden mit kleinem Hunger an einem heissen Sommer-Mittag vermutlich schon reichen.
Tradition und Trend nahe beieinander
Bei den Hauptgängen geht es weiter mit: Maispoularde & Weissweinrisotto mit Thymian-Jus und Mangold, Soja-Gehacktes & Taboulé mit Tomaten, Gurken, roten Zwiebeln und Koriander an Harissa-Sauce und zuletzt ein Klassiker, welcher natürlich auf keiner rustikal angehauchten Zürcher Menükarte fehlen darf: Zürcher Geschnetzeltes vom Kalb mit Nierli und Rösti.
Von traditionell fleischig bis modern vegan ist also alles mit dabei. Das vegane Gericht kann dabei aber problemlos mit dem Fleischklassiker mithalten und würde vermutlich so manchen Karnivoren ins staunen bringen. Ausserdem ist die Leichtigkeit des Gerichts ein wahrer Segen für einen 30 Grad-Celsius-Mittag wie diesen. Ein Segen, wenn auch ein schwererer, ist das Geschnetzelte. Auch wenn die Speise möglicherweise nicht in die Kategorie „leichte Mittagskost“ fällt, überzeugt das Gericht im Geschmack und der Zartheit des Fleisches.
Risotto und Jus passen bei der Mais-Poularde herrlich zusammen und der Mangold rundet das Gericht ab. Die Poularde selbst ist herrlich saftig. Für CHF 26 meiner Meinung nach ein Schnäppchen. Obwohl die Mais-Poularde „nur“ von der Mittagskarte ist, ist die Portion trotzdem ideal und würde wohl auch einen grossen Hunger problemlos stillen.
Viel Raum und noch mehr Terrasse
Das Interieur erscheint einladend und frisch aber gleichzeitig traditionell belassen mit einem Hauch Eleganz, ohne dabei prätentiös zu wirken. Immerhin hat die Zunft Wiedikon noch Stammrecht im Hause und somit soll eine traditionelle Note – auch bei der ganzen Innenraumgestaltung – wohl beibehalten werden. Auf der ausgiebigen Sitzfläche der Terrasse können sich sitzend je nach dem 70 bis 100 Menschen auf einmal einfinden. Menschen auf der Strasse beobachten und dem Haltestellengetummel fast hautnah beiwohnen, kann man übrigens besonders gut von dem heimeligen „Vorgarten“ aus.
Für grössere Anlässe und Bankette können nach wie vor auch die anderen Räumlichkeiten des Falken gemietet werden. Für Anfragen diesbezüglich darf man sich natürlich jederzeit melden und auch beraten lassen.
Dessert und mehr
Nach der Vorspeise und dem ausgiebigen Hauptgang hat es leider für unsere Mägen nur noch für einen kalten Kaffe gereicht. Mehr war nicht möglich. Nichtsdestotrotz hat der Falken auch eine schöne Auswahl an kleinen Desserts, welche man sich individuell zusammentstellen kann. Von Erdbeer-Tiramisu über Aprikosenglacé bis zu Panna Cotta mit Himbeersauce ist Vielversprechendes auf der Karte gelistet. Alternativ ist auch immer ein täglich wechselndes Kuchen-Angebot vorhanden. An diesem Tag war es eine zumindest optisch schonmal lecker aussehende Schokoladen-Tarte. Sollte der Dessert eher flüssig sein, ist auch für Dessertwein, Grappa, Digéstiv und Co. gesorgt.
Zum Schluss kann und muss gesagt werden, dass der Falken nicht nur ein Besuch wert ist, sondern fast schon für jeden kulinarisch affinen Menschen in der Region einen Pflichtbesuch darstellt. Das gesamtheitliche Erlebnis stimmt, die Liebe zum Detail ist spürbar und die Erfahrung der Gastronomen widerspiegelt sich in allem was dort vonstatten geht.