In den Schweizer Küchen tut sich was: Unsere Gastronomen streben nicht mehr allein nach mehr Geschmack, Innovation und Sternen, sondern ebenso nach einem nachhaltigeren Umgang mit dem Essen. Das Eine soll das Andere nicht ausschliessen. Das veranschaulicht der Genussmonat Rübis & Stübis im Gerolds Garten, der diesen März bereits zum dritten Mal durchgeführt wird. Weil wir von der letztjährigen «Chef’s Edition» so begeistert waren, wollten wir auch dieses Jahr unbedingt wieder hin.
Wir haben uns die vierte Woche mit Esther Kern ausgesucht, die wir bereits an ihrem Leaf to Root Workshop kennenlernen durften. Ihre Interpretation des Nachhaltigkeitsgedankens – die restlose Gemüseverwertung von Blatt bis Wurzel – sagt mir als Vegetarierin und Gemüseliebhaberin am meisten zu. Für Rübis & Stübis hat Esther Kern zusammen mit dem Chefkoch des Frau Gerolds Garten, Marcel Oesterreich, ein Menü kreiert, bei dem keine Gemüseabfälle entstehen. Doch wie schmecken uns Blatt, Schale und Wurzel tatsächlich?
Hier steht Nachhaltigkeit auf dem Programm und Menü
Die schmucke Winterstube von Frau Gerold wurde auch für die dritte Edition des Rübis & Stübis-Specials wieder passend dekoriert. Stilvolle Tafeln und Bilder an den Wänden ergänzen die stimmige und heimelige Atmosphäre im Raum – sie veranschaulichen und beschreiben die Konzepte von Nose to Tail und Leaf to Root.
Wir nehmen an einem schön gedeckten Tischchen gleich neben dem flackernden Cheminée Platz und werden von Beginn an, und den ganzen Abend hindurch, sehr aufmerksam bedient und umsorgt. Neben dem vegetarischen 3-Gang-Menü, das Esther Kern speziell für „ihre“ Leaf to Root-Woche konzipiert und mit Marcel Oesterreich kreiert hat, finden sich noch eine Handvoll À-la-carte-Gerichte auf der Karte. Sie alle versprechen 100% Genuss und werden zudem ganz ohne Foodwaste umgesetzt.
Esther Kerns Idee trägt Früchte
Nachdem wir bestellt haben, kommt Esther Kern höchstpersönlich für einen kurzen Schwatz an unseren Tisch. Ob sie jetzt nicht etwa in der Küche gebraucht werde, frage ich die Foodjournalistin und Kochbuchautorin erstaunt. Die Stube ist schon gut gefüllt, etwa ein Drittel der Plätze sind an diesem Montagabend kurz nach halb 7 besetzt. Esther schüttelt schmunzelnd den Kopf und erklärt uns, dass der Ball jetzt bei der Küchencrew um Oesterreich liege: «Ich war bei der Konzeptionierung der Leaf to Root-Spezialwoche federführend; die Speisen umgesetzt haben aber die Köche des Gerolds Garten!» Zum Teil seien dabei übrigens wieder ganz neue Interpretationen ihrer Rezepte entstanden.
Dass ihre Idee des vollverwerteten Gemüses in der Schweizer Kulinarikszene gut ankommt, beweist indes ihr voller Terminkalender. «Ich kann mich momentan echt nicht beklagen», gibt Esther zu. In den nächsten Wochen wird sie des Öfteren als „Rüebliheldin“, beziehungsweise „Food Saver“, in Aktion treten – sei es im Foodatelier der Zürcher Criterion Messe, in der Showküche der OFFA St. Gallen oder an an einem ihrer Workshops, wie etwa bei Laura Schälchlis Sobre Mesa.
Gemüseschale in all ihren Formen
Mit einem erfrischenden Weisswein und knusprig-warmen Brotscheiben mit salziger Butter starten wir in den Abend. Dann werden uns auch schon die Vorspeisen serviert. Gross sind die Portionen in den Schalen zwar nicht, dafür erwartet uns eine Bandbreite an feinen Geschmäckern und Texturen. Neben den Babyrüebli und dem cremigen Spinatpüree findet sich auch Unbekannteres vor. Zum Beispiel ein Püree aus Grapefruitschalen, das sehr fein ist. Auch die frittierte Topinamburschale schmeckt genial und stiehlt jedem „normalen“ Kartoffelchips die Schau.
Die Eigelbcreme mundet uns ebenfalls, nur von den winzigen Federkohlstielen bin ich etwas enttäuscht. Als „Brockerl“ angekündigt, habe ich mir ehrlich gesagt etwas Herzhafteres als ungewürzten, gedämpften Federkohl gewünscht. Jede Schale wird jeweils von einer hauchdünnen Scheibe von „altem“ gerösteten Brot abgerundet, mit dem alles „rübis und stübis“ ausgeputzt werden darf.
Wurzel und Kraut sind die Stars des Abends
Nachdem wir alles genüsslich und restlos verspeist haben (wie könnten wir auch anders!) wird uns der Hauptgang serviert. Einmal Suppenhuhn mit Süsskartoffelpüree und -spalten, und für mich der Leaf to Root-Risotto aus Rollgerste: Das Rüeblikraut darin ist unverkennbar und macht meinen Teller zu einem farbenfrohen Kunstwerk. Dazu gesellen sich die sous vide gegarten Lauchstücke, ein Rüebli und die Lauchwurzeln. Dass das zusammen nicht nur wunderschön aussieht, sondern auch einfach fantastisch schmeckt, wird mir schon beim ersten Bissen klar.
Der„Gerstotto“ ist, wie mir Serviceangestellte verrät, mit etwas Gruyèrekäse verfeinert, was das Gericht würzig und perfekt abrundet. Der Lauch vergeht fast auf der Zunge und hat einen tollen Eigengeschmack, der so am besten zur Geltung kommt. Und von den Lauchwurzeln, die hier wie Sprossen über das Gericht drapiert sind, kann ich nicht genug kriegen. Sie ergänzen jeden Bissen mit ihrem feinen, leicht erdigen Geschmack und „Crunch-Effekt“. Höchste Zeit also, selber Lauch anzupflanzen, denn sogar auf dem Markt habe ich diese Wurzeln leider noch nie an den Lauchstangen gesehen.
Auch mein Gegenüber geniesst ihr Hauptgericht, das ebenso farbenfroh und anmächelig daherkommt wie meins. Das sous vide gegarte Suppenhuhn sei butterzart und geht so mit dem cremigen Süsskartoffelpüree eine wahre Symbiose ein. Das Peterlipesto, wofür natürlich auch der Stiel verwendet wurde, ist angenehm herb und passt auch fürs Auge schön dazu. Einzig die Würze fehlt im Gesamten etwas: Das Huhn, wie auch die Süsskartoffelspalten, hätten ein paar Kräuter oder Gewürze mehr vertragen können. So müssen es jetzt halt auch Salz und Pfeffer tun.
Ob es jetzt an dem Thema des Abends oder der ausgezeichneten Küche liegt: Unsere Teller sind restlos ausgegessen. Und wir sind einfach nur glücklich, da die Portionen bei der Hauptspeise sehr gut eingeschätzt sind und wirklich satt machen. Drum passt jetzt auch kein Dessert mehr rein – dafür bleiben wir noch etwas sitzen und geniessen das gemütliche Ambiente und das gute Gewissen, das wir nach diesem Dinner haben.
Was meint der INSIDER?
Ob Fleisch- oder Gemüseliebhaber: Der Rübis & Stübis Genussmonat bei Frau Gerold bietet wirklich für alle etwas und leistet dabei einen wichtigen Beitrag zum nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln. Dass dabei der Genuss keinesfalls zu kurz kommt, sollte Dir spätestens nach diesem Beitrag bewusst sein. Also, auf was wartest Du noch? Das restlos zubereitete Gemüse inspiriert von Esther Kerns Leaf to Root-Bewegung kannst Du noch drei Abende (bis und mit Samstag) geniessen.
Hast Du auch schon mal ein Gemüse vom Blatt bis zur Wurzel verarbeitet oder weisst, wo in Zürich man sonst noch nachhaltig und ohne Foodwaste geniessen kann? Dann hinterlasse uns doch hier einen Kommentar oder schreib uns auf insider@lunchgate.com.