Der Dreigänger eint in sich die drei Elemente Restaurant, Laden sowie Ort der Kultur, und bildet als Teil des Drahtesels im Berner Liebefeld ein Sozialprojekt. So hat er sich der Mission verschrieben, Menschen in den Fokus zu setzen und sie auf ihrem Weg zurück in den primären Arbeitsmarkt zu begleiten. Dass dies während des Lockdowns mit Herausforderungen verbunden war, können wir uns denken. Was für Erfahrungen sie in dieser spannenden sowie turbulenten Zeit gemacht haben und wie sie am 11. Mai wieder die ersten Schritte zurück zur Normalität gegangen sind, erzählen wir dir in diesem Erlebnisbericht.
Stimmung - erste Eindrücke
Der Vorhof deutet mit den originellen Farbtonnen und den Fabrikgemäuern bereits darauf hin, dass wir uns in einem industriell angehauchten Teil der Stadt Bern befinden. Auch im Innern treten wir in eine urbane Welt ein. Schwarze, matte Metallpfeiler, umzingelt von dunkelgoldenen, durchlöcherten Lampenschirmen, welche den Raum in warmes, bronzenes Licht tauchen. In der Mitte umschliessen diese eine glitzernde Diskokugel als Königin der Nacht. Die Wände steinig kühl, mit russigen Verfärbungen, etwas bröckelndem Belag und fehlenden Wandplatten. Ganz rustikal urban eben. Und genau diese Mischung von Urbanität mit sozialem erfrischendem Charakter gibt dem Dreigänger sein ganz authentisches und originelles Flair. Der Raum wirkt ruhig, als wir eintreten, jeder Tisch ragt wie eine eigene kleine Insel an seinem Platz, in seinem Reich.
Trotz den mittlerweile allen bekannten Klebemarkierungen am Boden und den allseits vorhandenen Desinfektionsstationen ist Freude spürbar. Die Schutzmaske kann uns die entgegenstrahlenden Augen beim Empfang im Restaurant nicht verborgen halten. Motivation. Dass es endlich wieder losgeht. Engagement und Enthusiasmus.
Erinnerungen an den Lockdown...
Bevor wir uns ganz getreu unserer kulinarischen Erfahrung widmen, welche, soviel kann ich dir verraten, wirklich ein schönes Erlebnis war, wollen wir uns aus aktuellem Anlass auch kurz der aktuellen Situation zuwenden. Susanne, die Leiterin des Dreigängers, gesellt sich zu uns an den Tisch und gewährt uns einen ehrlichen Einblick hinter die Kulissen. Die Rush Hour ist bereits vorbei, Ruhe ist eingekehrt im mächtigen Raum. Die Ruhe täuscht jedoch ein wenig, mussten die vorhandenen Plätze wegen Corona doch von 120 auf 40 reduziert werden. Diese werden sich in den kommenden Tagen und Wochen weiter ausbauen, sobald die Trennwände dazukommen. Susanne berichtet, dass es vor allem der menschliche, persönliche Kontakt war, welcher während des Lockdowns fehlte und in ihrer sozialen Tätigkeit ganz im Zentrum ihres Alltags steht. Dies erschwerte es auch, den Teilnehmern der Integrationsprogramme und Lehrlingen eine Struktur im Alltag zu ermöglichen.
Der Dreigänger und das ganze Drahtesel Team hat sich während des Lockdowns alle erdenklichen digitalen Werkzeuge zu Nutze gemacht. So erhielten die Lehrlinge via Whatsapp oder Zoom und Skype Live Kochunterricht direkt in ihre Küche aufs Handy gesendet oder mussten zu Hause gewisse Übungen durchführen und direkt filmisch übertragen. Der Unterricht und die Integrationsbemühungen wurden also so gut es ging mit grossem Effort aufrechterhalten. Man wurde erfinderisch.
Und erfinderisch ist der Dreigänger auch im kulinarischen Sinne.
Gaumenfreuden
An der offenen Küchenstation holen wir unser Essen ab. Auf dem Menuplan heute: Kartoffelküchlein gefüllt mit Erbsen, dazu Karotten–Pickles mit pikanter Tomatensosse. Kein Fleisch Menu. Dies ist bewusst gewählt, um in der ersten Woche der Nach-Corona Zeit einen langsamen Start zu ermöglichen. Und auch im „normalen“ Betrieb wird nur an drei Tagen mit Fleisch gekocht. Bewusste Ernährung auf dem Vormarsch! Zum Hauptgang dazu bestellen wir uns noch einen Menusalat und eine Tagessuppe – Linsen-Creme. Einmal der Fassstrasse entlang um die Ecke gefolgt decken wir uns noch mit Sandwiches und Desserts ein um unseren Hunger sowie Neugier zu stillen.
Beim ersten Bissen fühlen wir uns gleich in unsere gemeinsame Indienreise zurückversetzt. Knusprig würzig mit einem Schlacks Quark – fast wie Pakoras. Und dann die süss sauren Karotten – sehr harmonisch gelungen. Der Tomatensud hätte uns noch einen Ticken pikanter sein dürfen, die knackige Salatgarnitur und frische Linsensuppe ergänzen den Mittelpunkt des Menus jedoch hervorragend. Auch die Sandwiches (Schinken und Brie) kommen sehr frisch und chüschtig daher. Ein weiteres Highlight bilden für uns jedoch vor allem die hausgemachten Gebäckstücke, welche wir als Dessert genüsslich verspeisen. Der vegane Nussgipfel formt mit seiner feuchten Nussmasse und knusprig-sauren Zitronenguss Ummantelung einen himmlischen Abschluss. Beim Ovo Cake mit Mandeln ist der Name Programm. Das Angebot soll in den nächsten Wochen konstant und stetig ausgebaut werden.
Mit 16 Franken plus je vier Zusatzbatzen für Salat und Menu kann man sich im Dreigänger unserer Meinung nach äusserst fair verköstigen. Hungrig geht niemand nach Hause, denn es darf jederzeit Nachschlag geholt werden. Absolut fair sind auch die verarbeiteten Zutaten. Es wird ausschliesslich auf Bio Qualität zurückgegriffen. Zwei Mal in der Woche wird ein neu kreiertes und innovativ gestaltetes Foodwaste Menu aufgetischt, um so wenig Abfälle wie möglich zu generieren und noch günstigeres Essen anzubieten, ohne Einbussen im Geschmack hinzunehmen. Ausserdem werden lokale Kleinstgewerbe wie z.B. die veganen Vorreiter von Outlawz aus der Stadt im hauseigenen Sortiment unterstützt. Ein rundum wunderschöner Besuch in einem authentischen Lokal.
Fazit
Im Dreigänger wird ein ganzheitlich nachhaltiger Ansatz gefahren, sowohl im sozialen Bereich als auch in der Küche. Handelt es sich hierbei evtl. um einen Vorboten für das Geschäfts- oder sogar Lebensmodell der Zukunft? Man fühlt sich im Dreigänger einfach wohl. Befindet sich unter Menschen, in offenem Umgang. Authentisch. Ehrliche Menschen. Ehrliches Essen. Eine Art Urmotivation liegt in der Luft. Aus dem Innern, für eine Gegenwart und Zukunft im Miteinander. Der Fokus liegt hier dank der finanziellen Unterstützung ganz klar auf dem Menschen, und nicht auf dem Profit. Auch in dieser Hinsicht könnte der Dreigänger als eine Art Pionier mit Inspirationscharakter für eine hoffentlich gesunde, nachhaltige Wirtschaft der Zukunft fungieren – der neuen Zeitrechnung „nach Corona“.
Und warum nicht eine Flamenco Nacht im Restaurant? Ich kann allein mit der Gitarre kommen oder mit einer Gruppe von drei Personen. Freundliche Grüsse Alfredo Palacios
Lieber Alfredo
Schreib doch dem Dreigänger direkt! Das klingt nach einer tollen Idee. http://dreigaenger.ch/
Herzlich, Marina
upps, ich habe jetzt gesehen die Anwort, ich werde machen.