Foodwaste ist in unserem Alltag allgegenwärtig: Zu viel Brot eingekauft? Die Milch ist schlecht geworden? Den welken Salat im Gemüsefach vergessen? Weg damit! Durchschnittlich 94 Kilogramm landen davon in der Schweiz jährlich pro Person im Abfall. Doch nicht nur in den eigenen vier Wänden, auch im Restaurant kommt tonnenweise Essen in den Abfallsack – Essen, das eigentlich noch einwandfrei und auch am Folgetag noch geniessbar wäre.
Essenreste verderben den Appetit
Eine zu grosse Portion bestellt? Man braucht nur das Besteck gekreuzt über dem Teller zu platzieren oder eine Stoffserviette darauf zu legen, um zu signalisieren, dass das Essen zwar schmeckte, aber die Portion «einfach zu viel» war. Der Teller wird also höflich abgeräumt und statt im eigenen Magen, landet das Essen wenige Sekunden später im Müll.
Auf den Hund gekommen
In den USA gehört er bereits zum Inventar eines jeden Restaurants: Der Doggy Bag – ein Erfolgsmodell. Seit jeher bestellen Restaurantgäste in den Staaten einen Behälter für ihre Essensreste. Anfangs wurde noch behauptet, die Resten seien für den Hund zu Hause bestimmt, daher der Name «Doggy Bag».
Mittlerweile schämen sich die Amis nicht mehr dafür, die XXL-Portionen in den Restaurants auf zwei Tage zu verteilen. Das Servicepersonal bringt meist unaufgefordert einen Papiersack, ein Stück Alufolie oder etwa eine Styroporschachtel, um den übrig gebliebenen Hamburger oder die Pizza darin zu verstauen und für den Folgetag aufzuheben.
Doggy Bag in der Schweiz
Bei uns sind die Doggy Bags noch alles andere als üblich. Selten, oder besser gesagt, nie, sieht man Gäste, die mit einer Papiertüte das Restaurant verlassen. Aber warum eigentlich nicht? Essen hat auch immer etwas mit Prestige zu tun. Essensreste mitzunehmen kann deswegen ganz schön peinlich sein; schliesslich will man ja nicht den Eindruck erwecken, dass man sich das Essen nicht leisten könne.
Auch der Name «Doggy Bag» kann abschreckend sein, weil die Bezeichnung auf die «Reste für den Hund» anspielt. Und überhaupt sind wir es uns schlicht nicht gewohnt, Essen einpacken zu lassen. Unsere Esskultur ist geprägt davon, den Teller leer zu essen oder bei kleinerem Hunger eine halbe Portion zu bestellen. Auch haben wir gelernt – anders als in den USA – das Restaurant nicht mit den eigenen Essenresten zu verlassen; dies löst bei vielen Leuten ein gewisses Unbehagen und Unwohlsein aus.
Doggy Bag – Warum nicht?
Eine Umfrage des Konsumentenmagazins Espresso aus dem Jahr 2013 hat gezeigt, dass sich 90 Prozent der Gäste durchaus vorstellen könnten, sein Essen einpacken zu lassen; dennoch verlässt nur selten jemand mit einer Tüte ein Lokal. Dies zeigt: rein hypothetisch stimmen viele dem Doggy Bag zu, wenn es aber hart auf hart kommt, reagieren viele von uns nicht so, wie sie eigentlich wollten. Hierfür müsste die Papiertüte noch um einiges populärer werden. Etwa, indem sie proaktiv von dem Servicepersonal empfohlen wird. Denn schämen müssen wir uns für den Doggy Bag sicher nicht, tun wir doch gleichzeitig etwas für unsere Natur und gegen Foodwaste.
Ich (34) finde es befremdlich, diesen Artikel überhaupt lesen zu müssen, weil ich mir schon immer Essensreste habe einpacken lassen und mir gar nicht vorstellen kann, wo resp. in welcher „Szene“ dies abschätzig behandelt wird?? Reden wir hier vom Baur au lac oder Dolder? In meinem Freundeskreis (Mittel- bis leicht gehobene Mittelschicht) hat niemand ein Problem damit, Essensreste mit nach Hause zu nehmen.
Die Tante meiner Freundin hat mit ihrem Jassclub einen Ausflug gemacht.
Es gab einen Zviere, später noch ein Nachtessen. Das Nachtessen sehr gut, aber doch etwas zu viel. Die Tante fragte dann den Service ob es möglich wär es einzupacken, sie nehme es dann für den Hund mit. Dem wurde entsprochen, Tantchen ging nach Hause, der mürrische Ehemann wartete schon. Er wollte immer zur gleichen Zeit das Essen und sie hat sich verspätet. freudig packte sie das Mitgebrachte aus, upps. Die meinten es sehr gut mit dem Hund, zum guten stück Fleisch legten die Köche auch noch Knochen dazu. Ist eine wahre Geschichte, die Tante wurde mit dieser Geschichte immer wieder aufgezogen.
Vielen herzlichen Dank für diese schöne Geschichte. Lustig, was einem immer wieder passieren kann. Was mich noch interessieren würde: Hat die Tante sie die Resten – trotz Knochen – dem Ehemann noch aufgetischt?
nein, nicht aufgetischt, es waren abgenagte Knochen der Gäste, sollte ich auch noch erwähnen 🙂
Traurig dass man in der Schweiz speziell bewerben muss was in den USA und anderswo völlig üblich ist. Ich vertraue auf die junge Generation welche hoffentlich die Vorbehalte meiner Generation wegwischen wird.
Ich habe schon oft gefragt, ob man mir die Reste einpacken könne, und das wurde immer gerne gemacht. Kostet ja meist nur ein bisschen Alufolie. Für das Restaurant ist das ja ein Kompliment.
Genau! Den Mut haben und sich trauen, das Servicepersonal anzusprechen – viel besser, als wenn das Essen im Müll landet.
Prima, dann haben die Amis wenigstens etwas, wofür sie sich aktuell nicht schämen müssen. Ich finde Foodwaste auch schlimm, einpacken lassen finde ich die zweitbeste Idee, sofern es dann eben nicht in einer umweltunfreundlichen Alufolie oder Styrobox ist.
Besser finde ich die Idee, wie es z.B. im Weissen Wind praktiziert wird: Die Portionen sind eher mässig gross, frau/man darf aber bei der Bestellung gerne sagen, wenn frau/man grossen Hunger hat. Dann kommt die Portion gerne auch grösser. Bei kleinem Hunger geht das umgekehrt bestimmt auch. Diese einfache Lösung bieten sicher auch viele andere Restaurants an. Auch hier muss frau/man sich einfach trauen zu fragen.
Interessant! Danke für diesen Tipp, Wolf.
Inzwischen bieten ja viele Restaurants auch halbe Portionen an. Viele Gäste scheitern aber daran, ihren Hunger vor ihrer Mahlzeit richtig einzuschätzen. Sie sind hungrig, möchten essen, und zwar möglichst viel. Und wenn man sich bei seinem Hungergefühl wieder einmal vertan hat, wäre der Doggy Bag der ideale «Plan B»!
Ich nehme immer die Resten mit nach Hause, manchmal für den Hund und manchmal auch für mich oder meinen Mann. Ich finde es ganz normal und schade, wenn man immer alles einfach weg wirft.
Vielen Dank für eure Kommentare. Sieht aus, als ob es neben mir noch andere Restaurantgäste gäbe, die ihre Resten einpacken lassen. Weiter so! 🙂