Ein pflanzenbasiertes fine-dining Erlebnis mit Wohlfühlfaktor
Die «Marktküche»: Ein mit 15 Gault Millau Punkten ausgezeichnetes Restaurant, in welchem nicht nur das feine Essen, sondern auch der Gast im Fokus steht.
Tobias Hoesli, Inhaber, Chef de Cuisine und Gastgeber ist sich sicher: Auszeichnungen sind eine tolle Anerkennung für die harte Arbeit des ganzen Teams, sie sollten das Restaurant aber nicht definieren. Genau ohne diesen Drang nach Preisen hat er es geschafft, ein Erlebnis für den Gast zu kreieren, bei dem sich jeder in der gehobenen Küche angenehm Zuhause fühlt.
Das Restaurant und Angebot
Das Konzept, welches die Marktküche seit Anfang an (August 2014) verfolgt, ist folgendes: «fleischlose Küche muss nicht zwingend aus Fleischalternativen bestehen». Es wird sich absichtlich von Worten wie «Vegan» entfernt, weil das Restaurant nicht darauf reduziert werden soll. Anstelle möchte Tobias Hoesli «mit guter Küche überzeugen». Insgesamt sieht er darin einen der Schlüssel des Erfolgs.
Am Anfang sei es eine bessere Bistro Küche gewesen. Es gab sowohl Menüs als auch à la Carte Gerichte. Dies wurde aber stetig verfeinert und perfektioniert, nun bleiben nur noch die 4-8 Gänge Menüs. Das hat viele Vorteile. Ein Hauptgrund ist die Qualität. Die filigranen Komponenten werden durch das Menu weniger verwässert, da nicht darauf geachtet werden muss, dass der Gast von einem einzelnen Hauptgang satt wird. Anstelle werden die Ideen kreativ über das ganze Menü verteilt und somit optimal zur Geltung gebracht. Ein weiterer und nicht weniger wichtiger Grund ist das Verhindern von Foodwaste.
Als Kompromiss für die Stammgäste wird zusätzlich am letzten Freitag im Monat ein Mittagsmenü serviert. Es werden dieselben Gerichte wie auf der Abendkarte angerichtet, nur in einer kürzeren Variante, welche in 45 Minuten verzehrt werden kann. Die Wichtigkeit der Stammkunden wird klar, wenn man sieht, wie sehr es Tobias freut, dass man sich quasi zusammen weiterentwickelt hat. Der Mensch steht bei ihm sehr im Fokus, was auch bei den Reservationen deutlich wird: Double-Seatings gibt es nämlich keine.
Tobias Hoesli
Aber wer ist eigentlich Tobias Hoesli? Auf der Website wird der Inhaber als Gastgeber und Chef de Cuisine bezeichnet, im Gespräch mit ihm merkt man warum. Neben dem «Hang zum Perfektionismus», der ihn immer weiter treibt, seine Kochkunst zu verbessern, sticht der Fokus auf den Gast deutlich heraus.
Die Kernaussage des Interviews war für mich: «In erster Linie sind wir nur dafür da, dass der Gast einen schönen Abend hat», eine Steilvorlage für den nächsten Abend, als wir dann selber zum Essen da waren. Viele Gäste wurden von Tobias direkt an der Tür begrüsst, mindestens einmal während des Abends am Tisch besucht und zum Abschluss bedankte er sich bei jedem Gast und nahm sich die Zeit, um Fragen zu beantworten. Meiner Meinung nach geht Service kaum besser.
Natürlich beschränkt sich dieser Service nicht nur auf ihn. Unsere Kellnerin Vera war immer im richtigen Moment da. Sie war nicht aufdringlich aber aufmerksam, um unsere Fragen direkt zu beantworten. Alles fühlt sich wie gehobener Standard an, ohne einzuschüchtern. Im Interview beschreibt Tobias wie wichtig Ihm ein top Standard ist, den er als «extrem professionell» aber «emotional und menschlich» beschreibt. Ziel sei es, dass der Gast sich wohl fühlt und «nicht so, als wenn er das Besteck nicht anfassen darf, bevor der Teller da ist».
Neugierde und Nostalgie
Diese spezielle Atmosphäre entspringt wahrscheinlich der untypischen Ausbildung von Chefkoch und Gastgeber Tobias, der vor seinem eigenen Erfolg nie in einer Punkteküche oder Sterneküche gearbeitet hat. Er beschreibt es am besten wenn er sagt, dass er dadurch «unbelastet von großen Köchen» ist. Lange habe er dies «als Nachteil gesehen, mittlerweile aber als Vorteil», weil er dadurch komplett «geschmacksfokussiert denken» kann.
Als Koch beschreibt er sich selbst als neugierig, welches der Gast merkt sobald dieser die Gerichte sieht, z.B. die Elemente der Molekularküche (welche Tobias sich selbst beigebracht hat), wenn er über seine Marktbesuche erzählt oder den Austausch mit seinem Gemüsehändler am Engrosmarkt beschreibt.
«Es macht einfach Sinn»
Gleichzeitig beschreibt all dies auch andere Werte. Der Fokus in der Marktküche ist «marktfrisch, regional, saisonal». Auf die Frage warum dies der Fokus ist antwortet Tobias nur: «Es macht einfach Sinn». Das Restaurant verzichtet komplett auf Flugware, zeigt den Gästen was wirklich saisonales Kochen ist und – so simpel es klingen mag – dadurch schmeckt es einfach besser.
Aus dem Gespräch mit Tobias geht auch hervor, wie wichtig es ihm ist, Nostalgie in seine Kreationen einfliessen zu lassen. So erzählt er mir, wie er in der Kindheit Pilze gesammelt hat und später als Koch das Sammeln mit einem 7-Gänge-Pilz-Menü verbunden hat. Oder wie er Rezepte, die er aus der Jugend kennt, gerne wieder zum Leben erweckt und sie manchmal im Laufe des kreativen Prozesses komplett auseinandernimmt, sie aber dadurch für ihn selbst natürlich nicht an Nostalgie verlieren. Die Kombination ist wichtig, die Qualität und die Emotionen, sowohl seine als auch das Wohlfühlelement der Gäste.
Das Essen
Ein Abendessen in der Marktküche ist ein Erlebnis der Entdeckung, weswegen ich euch nicht jedes einzelne Gericht beschreiben will, sondern eher worauf ihr euch freuen könnt. Da die Karte sich Monatlich ändert bringt es sowieso nicht viel spezifische Gerichte zu beschreiben – ich bin mir sicher es lohnt sich jeden Monat aufs Neue zu gehen.
Bei diesem, unserem ersten Besuch, nahmen wir das 6-Gang-Menü (die goldene Mitte, welches uns sowohl von Tobias als auch Vera empfohlen wurde) mit der alkoholfreien Getränkebegleitung. Die goldene Mitte war goldrichtig. Tobias hat von der Weinkarte geschwärmt, die ihm sehr am Herzen liegt, leider trinke ich kein Alkohol. Laut des Teams der Marktküche ist speziell das Wine Pairing sehr zu empfehlen, da sich Tobias in diesem Bereich sehr gut auskennt und auch schon viele der Winzer persönlich getroffen hat.
Die alkoholfreie Variante war aber auch super: Die Getränke kamen wie Zwischengänge und man hatte genügend Zeit sie zu geniessen, bevor es mit dem nächsten Gang weiterging. Unter den Getränken gab es wieder sowohl warme als auch kalte, wobei mein absoluter Favorit ein selbstgemachtes Chinotto Orangen Getränk war. Vor diesem Abend war mein Lieblingsgetränk San Bitter mit Orange, danach musste ich zugeben, dass Chinotto vielleicht die bessere Wahl ist.
Das Essen ist so gestaltet, dass es dem Gast möglichst viele Facetten der Kochkunst nahelegt ohne zu überwältigen oder zu verspielt zu wirken. Jeder Gang ist in sich selbst und mit den anderen Gängen gut balanciert. So findet man meistens 1-2 Protagonisten die durch 2-3 Support Acts hervorgehoben werden. Die Balance wird weiter durch gewisse Geschmacksnoten, die jede Saison von sich aus hervorruft, unterstützt. Fleisch wird nicht vermisst.
Aber nicht nur die Geschmäcker zerschmelzen miteinander. Was auch sehr dezent aber meisterhaft gemacht wurde, ist das Zusammenspiel der Temperaturen und Texturen. Zusätzlich werden dem Gast Zutaten aufgetischt, bei denen man ganz neue Geschmackserlebnisse hat. Freut euch auf den «Gaumenreiniger», eines der Highlights.
Zum Schluss bleibt mir noch zu sagen, dass der Preis, dafür was einem geboten wird, völlig gerechtfertigt ist. Das Restaurant überzeugt durch hervorragendes Essen und einen Top Service. Ich kann die Marktküche jedem wärmstens empfehlen. Bringt Zeit mit und verliert euch im Abend.