Zürich ist seit Anfang Dezember um ein Pop-up-Restaurant reicher. Die Initianten des Soi Thai und vielen anderen Pop-ups, Valentin Diem (ValeFritz) und Patrick Schindler, spannen mit Nenad Mlinarevic, dem Gault-Millau-Koch des Jahres 2016, zusammen. Das Trio verwöhnt seine Gäste in der Stadthalle, welche bis vor kurzem noch als Autogarage verwendet wurde.
Dass in dieser Lokalität mal an Autos gearbeitet wurde, merkt man nur an ein paar gut eingesetzten Details. Autoreifen, die als Schaukeln umgebaut wurden, alte Tanksäulen sowie Reifenspuren an den Wänden erinnern an das vergangene Geschehen in der Stadthalle.
Verstecktes Glück
Nachdem wir uns durch mehrere Vorhänge hindurch gewagt haben, werden wir am Empfang begrüsst und sogleich an unseren Tisch geführt. Die grosse Halle ist clever mit schmalen Vorhängen in verschiedene Bereiche geteilt. Die Einrichtung ist sehr schlicht, Betonboden und -wände werden mit extra für diesen Event angefertigten Stühlen und Tischen aus Holz ergänzt. An einem Ende des Saals befindet sich die Bar, auf der gegenüberliegenden Seite die Küche, dazwischen mehrere Tischreihen. In der offenen Küche können wir von unserem Tisch das junge Team um ValeFritz und Mlinarevic beobachten, wie sie Gang um Gang anrichten.
Der Nerv der Zeit
Das Konzept in der Stadthalle ist klar: qualitativ hochwertiges Essen aus Produkten, die auch Hobby-Köche bei sich zu Hause verwenden können. Ganz im Sinne des aktuellen Trends des Food Sharings, wird das Essen vom emsigen Service in verschiedenen kleinen Schüsseln oder auf Platten serviert und zum Teilen in die Mitte des Tisches gestellt.
Kaum haben wir dem Servierpersonal mitgeteilt, dass wir gerne das Menü mit Fleisch essen, werden auch schon die vier Vorspeisen serviert. Es gibt gerösteten Rosenkohl mit einer Rapsmayonnaise, geriebener Belper Knolle und knusprigen Zwiebeln. Bei dieser Kombination werden sogar die ärgsten Rosenkohlskeptiker schwach. Das Rindstatar wird mit Grünkohl, Senf und Speck serviert, dazu gibt es ausgezeichnetes Brot von John Baker.
Ferner bekommen wir Lachs mit Rettich, Algen und Radieschen, dazu wird Ponzu serviert, eine aromatische Sauce mit Sojasauce als Basis. Das Vorspeisen-Quartett wird mit einem Schweinebauch mit Koriander und Chili vervollständigt, welchen man sich eigenhändig mit Pickels in einem knackigen Blatt Kopfsalat zu einem Wrap rollen kann.
Vielfältig und schmackhaft
Zum Hauptgang gibt es einen kleinen Taco mit Rindfleisch, Pilzen, Peperoni, Tomaten und Zwiebelsprossen. Die wohlschmeckenden Tacos erinnern mich an den Sommer, als man im El Central ähnliche Köstlichkeiten geniessen konnte. Weiter können wir von einer asiatisch angehauchte Poularde mit Broccoli, Sesam, Miso und Kräutersalat probieren. Etwas gepuffter Reis vervollständigt das Gericht mit seiner knusprigen Kontur.
Der letzte Hauptgang besteht aus Zander, Weisskohl und in relativ grossen Stücken schön weich gerösteter Lauch, alles zusammen in einem Bonito-Sud serviert. Die Hauptgänge sind geschmacklich definitiv etwas für den verwöhnten Gaumen, wir hätten uns jedoch etwas mehr davon gewünscht, entweder von den einzelnen Komponenten oder dann ein weiteres Gericht. Richtig satt machen uns die kreativen Gerichte leider nicht.
Der süsse Abschluss
Kurz bevor das Dessert serviert wird, deckt das Servicepersonal unseren Tisch mit einer Plastikfolie ab: was wohl jetzt passiert? Gespannt erwarten wir den Serviceangestellten. Dieser lässt von circa einem halben Meter eine Schokoladenkugel auf unseren Tisch fallen, die eine Variation von Leckereien enthüllt. Darin kommt ein Mandarinensorbet, ein Cheesecake-Mousse sowie ein Meringue mit gefrorenen Früchte zum Vorschein.
Das Dessert überzeugt mit verschiedenen Konsistenzen, auf der einen Seite die knusprigen Komponenten wie die Beeren oder das Meringue, auf der anderen Seite die cremigen Bestandteile wie das Mousse. Und dank der dicken Couverture-Hülle der Schokoladen-Tischbombe sind wir dann schliesslich auch satt geworden.
Der INSIDER empfiehlt
Wer sich in der Stadthalle bis zum 3. Februar noch einen Platz ergattern will, dem ist empfohlen, schnellstmöglich zu reservieren. Denn die 100 Sitzplätze, die meist zweimal pro Abend belegt werden, sind begehrt. Bis am Ende der Laufzeit des Pop-ups sind schon über 6000 Reservationen eingegangen.
Spontan in die Stadthalle zu gehen, funktioniere meistens nur zu zweit, wie uns Schindler verrät. Das Gourmet-Erlebnis auf Zeit hat natürlich auch seinen Preis: Das Menü mit Fleisch und Fisch kostet gleich viel wie die vegetarische Version, nämlich 95 Franken.