Vier Altbauwohnungen, vier Etagen, vier Köche und eine Kunstgalerie inklusive einer Cocktail Bar – das ist vier&eins. Das zeitlich limitierte und einzigartige Gastronomiekonzept verbindet verschiedene Kulturformen: Barkultur, Esskultur, Musikkultur und Kunst. vier&eins bildet die Pop-up-Basis und stellt vier erlesenen Zürcher Gastronomen vier Wohnungen zum Kochen zur Verfügung. Wir waren da. Warum das so richtig gut schmeckt und wieso das Pop-up auch dank Chaos ein Statement für Zürichs kulinarische Zukunft ist, erfährst Du im Bericht.
Die Qual der Wahl
Edle Küche bei Kerzenlicht beim jungen deutschen Koch Maximilian Klein? Oder Marco Peros Ableger der etablierten Beiz „Drei Stuben“ im ersten Stock? Im Pop-up vier&eins fallen Entscheidungen schwer. Zwei weitere Angebote machen es nicht besser: Im zweiten Stock ist die Männer-WG – in der hauptsächlich Frauen sitzen –, wo Pascal Schmutz mit Heinz Margot frisch aus dem Alltag kocht. Und im dritten herrscht ein Dschungel: Zwischen Plastikgrünpflanzen kocht Alexander Jakob. Wir entscheiden uns für die klassische Variante bei Maximilian Klein.
Hallo! Bevor wir zu Maximilian Klein gehen, sagen wir schnell in den anderen Etagen Grüezi. Hier im ersten Stock. Foto: Lunchgate/Simone
Klein ganz gross
Dann ging es los im Erdgeschoss des alten Hauses an der Zwinglistrasse. Und eines vorweg: Wir wurden aus dem Dornröschenschlaf geweckt. Maximilian Klein holte aus guten Zutaten das Bestmögliche heraus. Mit seinen Kochkünsten würdigt er ein Filet ebenso wie einen Fenchel. Er verzichtet auf billige Kontraste oder übermässigen Gebrauch von Butter, Öl oder Zucker und überzeugt alleine durch die fein abgestimmten Aromen und eine handwerklich perfekte Zubereitung. Dafür erntete der Koch beim eiligen Durchrennen sogar einen spontanen Applaus vom Nachbartisch.
Der schön gedeckte Tisch. Foto: Lunchgate/Simone
Amuse-Bouche: Parmesaneis zwischen Crackern, ein Hühnerhautchips mit Chilimayo und ein Stück Wurst mit Anis – ein Spiel von Crème und Knusper, von kalt und warm. Die Aromen sind herzhaft und kräuterig, scharf und salzig. Das ist Apéro-Kultur, wie man sie kennt, doch verspielt und auf die Spitze getrieben.
Cracker, Käse und Wurst – das kennen wir als Apéro. Doch hier werden die Zutaten verspielt und elegant neu gemischt. Foto: Lunchgate/Simone
Als Nächstes kommt hausgemachtes Brot mit Nussbutter auf den Tisch. Das Brot ist so lecker – feucht aber luftig, salzig, würzig und nach Kräutern duftend –, dass ich mich frage, wieso Brot nicht immer mit mehr Salz und Kräutern gebacken wird. Die Nussbutter zum Brot bietet noch eine Überraschung: Sie liefert der vermeintlichen Dekoration aus Kresse eine perfekte Unterlage. Die Kresse schmeckt dadurch frischer, schärfer und würziger als sonst.
Jede einzelne Zutat eine Entdeckung: hausgemachtes Brot mit Nussbutter, Frischkäse und Kresse. Foto: Lunchgate/Simone
Im nächsten Gang harmoniert aromatischer, gebeizter Saibling mit Saiblingsrogen und einem Klacks Gurkencrème. Die drei Komponenten spielen sich gegenseitig Zitrusaromen zu, ergänzen und kontrastieren sich: da der salzig-saure Rogen, dort der cremig-scharfe Meerrettich zum gebeizten Fisch und dazu die frische Säure der Gurkencrème. Wer hätte gedacht, dass Säure so viele Nuancen hat? Einmal mehr sind wir nicht nur verzückt, sondern geradezu irritiert ab der Aromenvielfalt dieser nicht so ungewöhnlichen Zutaten.
Dieser Gang war eine Hommage an die Säure und eine wahre Entdeckung. Foto: Lunchgate/Simone
Der nächste Gang ist herzhafter und etwas für den grossen Hunger: Während man vorher versuchte, ja keine Nuance zu verpassen, darf man jetzt reinhauen: Ricotta-Ravioli aus einem feinen und gleichzeitig saftigen Pastateig liegen in einer leichten, schaumig geschlagenen Sauce. Das füllt den Bauch und holt einen aus dem Himmel zurück an den Tisch. Ein wahrer Gaumenschmaus!
Pastateig ist oftmals schwer oder trocken – aber hier ist er hauchdünn, elastisch und saftig. Foto: Lunchgate/Simone
Auch der Hauptgang entzückt. Während das Kalbsfilet so perfekt gebraten ist, dass man nie wieder eine andere Garstufe als die aus dem Hause Klein in Erwägung ziehen will, ist die Kalbsbacke so lange geschmort, dass sie im Mund zerfällt. Die Sauce dazu verbindet sich perfekt mit den Aromen, ist aber nicht dominant. Ja, es fällt mir schwer, in den nächsten Tagen an etwas anderes zu denken als an dieses Essen.
Noch ein perfekter Gang: Zweierlei vom Kalb und Wurzelgemüse. Mir fällt es schwer, in den nächsten Tagen an anderes Essen zu denken. Foto: Lunchgate/Simone
Die nächste Kreation verabschiedet sich von der Vorstellung, dass ein Dessert zwangsläufig zuckrig sein muss. Stattdessen setzt sie auf die natürlich fruchtige Säure von Mango und den erdig-bitteren Kakaogeschmack. Zu Recht: Die beiden ergeben eine perfekte Kombination. Dazu gibt es Nusskrokant.
Schokolade und Frucht sind eine gute Kombination und dürfen hier für sich selber sprechen, ohne von zu viel Zucker und Rahm verdeckt zu werden. Foto: Lunchgate/Simone
Preis und Leistung: ausgezeichnet
Das Essen begeisterte uns restlos, ebenso der Service. Zudem sind es die vermeintlichen Kleinigkeiten, die Maximilian Klein und sein Team spielend im Griff haben. Zum Beispiel, dass das Essen immer genau die richtige Temperatur hat. Oder dass die Portionen satt machen ohne zu überfüttern. Klarer Fall: Hier sind Profis am Werk.
85 Franken (exkl. Getränke) für sieben Gänge aus dieser Küche? Ein guter Preis, ohne Wenn und Aber. Und dazu gibt es die einmalige Pop-up-Atmosphäre, denn bei den anderen Restaurants darf man jederzeit einen Blick hineinwerfen.
Vor und nach dem Essen bietet sich ein Spaziergang durch das alte Stadthaus an. Foto: Lunchgate/Simone
Zürich – ein Mekka für Gourmets?
London, Paris, Kopenhagen – und Zürich? Ob unsere Stadt das Potential zum Food-Mekka hat, ist umstritten. Mitten in diese Diskussion hat das vier&eins mal eben ein vierstöckiges Pop-up aufgezogen. Ein ziemlich ambitioniertes und verrücktes Projekt. Dass ein Pop-up dieser Grösse anfangs chaotisch ist, ist klar. Trotz Reservierung erhielten wir zum Beispiel am Eröffnungsabend keinen Tisch. Dafür gab es dann im Schein der Glühbirnen ein Glas Wein und einige Leckereien im alten Treppenhaus, wo wir nebenbei mit den Gästen der anderen Etagen plaudern konnten. Ein Pop-up ist eben immer auch ein Abenteuer.
Fazit: Mit viel Charme und Spontanität haben hier Zürichs kulinarische Könner ein vielseitiges Pop-up zum Entdecken geschaffen. Trotz des aufwendigen Konzepts geht das Wichtigste nicht vergessen: das Essen auf dem Teller. Ich bin ziemlich sicher, dass mutige Ideen wie diese Zürichs Zukunft als Gourmet-Stadt den Weg ebnen werden.
Hinter dem Pop-up vier&eins stehen die Macher des legendären „Cocoon„, des Pop-ups aus dem Zürcher Seefeld, das letzten Herbst ordentlich für Furore sorgte. Wir danken den Initianten Danica Thalmann (Jack in the Box), Philipp Brunner & Renato Auer (Agentur Statement), Oliver Scotoni (Rundfunk.fm) und Fabian Plüss (Kingfluencer) für die gute Zusammenarbeit. Um von den neuesten Foodtrends berichten zu können, testen wir unter anderem auch Restaurants auf Einladung. Dabei bilden wir uns eine eigene Meinung und kommunizieren diese in unseren Beiträgen.