Diese zwei neuen Namen in der Schweizer Gastro-Szene musst Du dir merken: Pascal Bertschinger und Roger Greber, das sind zwei befreundete Jungköche aus dem Zürcher Oberland. Nach dem Besuch ihres Pop-up Dinners im Coming Soon waren wir hin und weg von den charmanten Männern und ihren Kochkünsten. Während 7 Wochen veranstalten die beiden diesen Sommer eine «befris(s)tete Kocherei» im Lokal an der Rolandstrasse und servieren ein 5-Gang-Menü, das jede Woche unter einem anderen, «brutalen» Motto steht. Das Konzept ist frech und ein wenig verrucht – die zwei zurückhaltenden Köche und ihre liebevollen Gerichte bilden dazu eine überraschende Antithese. Aufmerksamkeit ist den beiden mit ihrem durchdachten Konzept jedoch gewiss, und ihre Küche wird dem Namen mehr als gerecht: Das Essen an diesem Abend ist wirklich – excuse my language – brutal gut.
Vegetarisch durch den Rekordsommer
Treue Leserinnen und Leser unseres Blogs werden es wohl schon bemerkt haben, dass ein Teil unserer Redaktion vegetarisch unterwegs ist. Und so sind wir stets auf der Pirsch nach den neuesten Vegi-Hotspots und berichten über tolle vegetarische Alternativen, die wir auf den schweizerisch traditionellen, eher fleischlastigen Menükarten der Zürcher Restaurants finden.
Deshalb stand auch das neueste Pop-up der Stadt, die befrisstete Kocherei im Coming Soon, auf unserer kulinarischen Löffelliste für diesen Sommer. Pascal Bertschinger und Roger Greber kochen schon seit Anfang Juli im Langstrassenviertel, doch wir mussten uns bis jetzt zu unserem Wunschthema gedulden, um den Herren einen Besuch abzustatten. Nach den Themenwochen «brutal verkohlt»,«brutal mediterran» oder«brutal versaut», wo beispielsweise in jedem Gang etwas vom Säuli aufgetischt wurde, wird es jetzt im Coming Soon nämlich «brutal vegetarisch»! Was übrigens gerade bei den momentanen Hitzetagen, wo auch viele Fleischtiger gern auf die schwere Kost verzichten, sehr zu empfehlen ist.
Ein Sommernachtstraum im Chreis Cheib
An diesem schwülheissen Sommerabend können wir uns zudem über ein angenehmes Lüftchen freuen, das uns am hübschen Zweiertischchen auf dem Aussensitzplatz des Lokals empfängt. Die sympathische Serviceangestellte des Coming Soon lässt uns von der bescheidenen Weinauswahl probieren und serviert uns dann je ein Glas vom angenehm fruchtigen, vollmundigen Riesling. Ganz frech bestellen wir noch Eiswürfel dazu, für die ultimative Erfrischung zum Auftakt. Sowas macht man ja eigentlich nicht, doch wir hoffen, dass uns das angesichts des rockigen Mottos des Pop-ups heute Abend verziehen sei. So sind wir also startklar für den vegetarischen Sommernachtstraum in fünf Gängen.
Es fängt schon mal gut an...
Obwohl uns die stylische Menükarte verrät, welche feinen Zutaten uns den Abend hindurch erwarten werden, überrascht die Küche doch immer wieder. Wie bereits am Anfang, als uns ein Amuse Bouche und erster Gruss aus der Küche serviert wird, der brutal gut riecht – und schmeckt: Wilder Broccoli in luftig-knusprigem Tempurateig, dazu eine sündhaft gute Trüffelmayonnaise und getrockneter Eigelbstaub. Umami pur, und das, bevor das Menü überhaupt offiziell begonnen hat!
5 Gänge – 1 Traum
Als erster Gang wird uns eine Schale mit farbenfrohen Tomätli – angetrocknet, gepickelt und „pflückfrisch“ – in Tomatenwasser mit Algenöl gereicht. Der zweifarbige Sesam und die Noriblättchen darauf runden die erfrischende Vorspeise perfekt ab. Süsslich, säuerlich, salzig: Fast wie eine Ode an den Sommer mit all seinen Facetten, die wir glücklich auslöffeln.
Die zwei Jungköche scheinen perfekt eingespielt, denn zwischen den Gängen müssen wir nie lange warten. Und sie bringen die Speisen auch gleich selber an den Tisch ihrer Gäste, und erklären das Gericht mit seinen einzelnen Komponenten. So bleibt das Gourmeterlebnis in diesem Pop-up wunderbar ehrlich und bodenständig, trotz seinem Haute Cuisine-Niveau.
Als Zweites dürfen wir eine sämige Melonengazpacho auslöffeln, die mit knusprigen Mandeln garniert ist. Sehr fein, und einfach perfekt bei diesem Wetter. Alles was hier auf den Teller kommt ist handverlesen und saisonal angepasst – das gehört zum „brutalen“ Credo der zwei Köche.
Danach kommt der Zwischengang, auf den ich schon seit ich das Menü durchgelesen habe, aufgeregt warte: Herzige, knallgelbe Gnocchettini an Zitrusrahm und Parmiggiano. An unserem Tisch macht sich die Begeisterung breit und wir fragen uns, wer da überhaupt noch nach Italien reisen muss? Dieser Teller schmeckt nämlich einfach wunderbar und könnte so genauso gut unter einem Zitronenhain an der Amalfiküste serviert worden sein. Die gerösteten Roggenkörner sind übrigens noch das Tüpfchen auf dem i, und ein schöner heimischer Touch dazu.
Wir essen langsam und bedächtig, nicht nur wegen der hitzebedingten Trägheit und schubweisen Hitzewallungen, sondern auch, weil wir die Speise möglichst lange geniessen können wollen. Wie etwa ebendiese herzigen, geschmacklich auf den Punkt gebrachten Gnocchi. Ich bin einfach froh, muss ich diesen Teller nicht teilen. Ich würde eigentlich am liebsten noch Nachschub bestellen – wenn da nicht noch zwei Gänge vor uns wären. Vernünftig wie wir sind, erwarten wir also den Hauptgang.
Den serviert uns Pascal und stellt ihn vor: Ein Filet vom Knollensellerie, im Ofen gegart, mit einer Rahm-„Marinade“, darauf gepickelte Holunderblüten und Haselnuss-Crumble (in meinem Fall wegen Haselnussallergie Panko- und Pilzstreusel). Und daneben ein Löffel voll schwarzem Venere Reis – mein Favorit! Der Teller sieht einmal mehr wie ein Kunstwerk aus und ist so hingebungsvoll angerichtet und konzipiert, dass wir bei jedem Bissen staunen. Diese Kocherei ist eine wahre Schlemmerei. Die Portionen sind bewusst klein aber anständig, sodass man die vielen Gänge alle gleich geniessen kann und nicht schon nach den Vorspeisen im Essenskoma landet.
Diese Namen solltest Du dir merken
Wie mir Pascal und Roger bei meinem spontanen Besuch in der (noch etwa 10 Grad heisseren!) Küche verraten, wollen sie mit ihrem bisher sehr erfolgreichen Projekt nächsten Sommer in die zweite Runde gehen. Vorher werden die zwei aber noch in die weite (Kulinarik-)Welt ausfliegen. Pascal wird in der kulinarischen Hochburg Kopenhagen kochen und Roger zieht es bis ins gastronomische Mekka Peru. In einem Jahr werden wir sie in Zürich aber wieder zurückhaben, zweifelsfrei mit erweiterten Geschmacksknospen und noch viel mehr Inspiration und Ideen im Gepäck. Und vielleicht bleiben sie dann sogar ganz hier: Pascal liebäugelt nämlich mit der Eröffnung eines Lokals in Zürich, wie er mit einem Strahlen in den Augen erzählt. Wir dürfen also gespannt bleiben, was die beiden noch alles im Köcher haben!
Ein Dessert ist nicht genug...
… und deshalb gibt es hier gleich zwei: Das „Pre-Dessert“ ist ein Schälchen mit Crumble, Zwetschgenkompott und erfrischendem Granita aus Verbena. Meiner Meinung nach passt das Granita zwar nicht unbedingt zum Rest, den ich als Streusel und Zwetschgenliebhaberin geschmacklich bestens kenne und mag. Doch es ist trotzdem fein und das Vor-Dessert macht definitiv Lust auf mehr.
Das kommt in Form des nochmal wahnsinnig kunstvoll präsentierten Desserts. Die Pfirsichtarte wurde hier dekonstruiert – oder in Pascals Worten, „usänand gno“ – und ist mit einem Schaum von Zitronenthymian getoppt. Der Wahnsinn! Ich selbst habe Thymian schon länger als Zutat für süsse Speisen entdeckt, was sich hier einmal mehr bestätigt. Dazu gibt es eine perfekte Kugel Pistazieneis auf gerösteten Cashewnüssen. Dieses Gericht lässt uns noch einmal vollständig in diesem kulinarischen Sommernachtstraum versinken und wir geniessen – schon etwas sehnsüchtig – den letzten Mund voll dieses fantastischen Dinners.
Fazit – das empfiehlt der INSIDER
Wie auf ihrer Facebook Seite verkündet, gibt es das 5-Gang-Themen-Menü für den „Nice Price“ von 79.-. Und das ist wirklich nett oder angemessen für das, was einem alles geboten wird. Sogar eine Flasche Wasser ist dabei inbegriffen. Der Wein kostet zusätzlich, aber auch da ist die Preis-Leistung erstklassig. Das hat sich wohl bereits herumgesprochen, denn die zwei letzten vegetarischen Abende sind restlos ausgebucht!
Doch für ihre letzte brutale Woche, wo mit Hanf in verschiedenster Form gekocht wird, hat es noch Plätze frei. Aber wer weiss, wie lange noch: Wir überlegen uns nämlich auch diese Chance zu nutzen und uns noch einmal von den talentierten Jungköchen bekochen zu lassen. Wir empfehlen Dir unbedingt, es uns gleich zu tun.