Ob Essen in mittelalterlicher Atmosphäre oder vor postindustrieller Kulisse – in vielen Restaurants gibt es nicht nur kulinarisch, sondern auch architektonisch viel zu entdecken. Denn häufig steckt nicht nur in der Küche viel Planung, Kultur und Geschichte, sondern auch im Gebäude selber. Wir haben sieben Zürcher Restaurants und ihre Architektur etwas genauer unter die Lupe genommen.
1. Viadukt und Restaurant Markthalle: Clever Raum nutzen
Wie der oftmals leere Raum unter Brücken und Bahnlinien ideal genutzt werden kann, zeigen die Viaduktbögen und das Restaurant „Markthalle“. Noch nicht lange ist es her, dass sich unter den Bahngleisen Marktstände, Shops und Restaurants einquartiert haben. Was nicht immer funktioniert, nämlich dass ein unbenutzter Raum belebt und genutzt wird, hat sich hier nahtlos in den Alltag Zürichs eingefügt. Im Sommer ist es kühl unter den Bögen, im Winter bietet der Innenraum mit der Gewölbedecke eine spezielle Atmosphäre. Passend zum praktischen Ansatz, was eh schon gebaut ist auch gut zu nutzen, serviert die Markthalle im Geist der Nachhaltigkeit regionale und saisonale Gerichte.
Restaurant Markthalle
Limmatstrasse 231
8005 Zürich
2. Bebek: Wegweiser für moderne Stadtplanung
Früher war das Gebäude an der Kalkbreite ein bekannter Freiraum für alternative Konzerte und Kultur. Dass dort Wohnungen, Shops und Restaurants hinkommen, hätte auch schiefgehen können – Stichwort Gentrifizierung und der Widerstand dagegen. Doch das Wohnkonzept der Genossenschaft Kalkbreite macht heute Schule: Begegnungsorte, Einkaufsmöglichkeiten und platzsparendes Wohnen stellen die Weichen für eine zukunftsorientierte Stadtplanung. Besonders schön zeigt das auch das Restaurant Bebek.
Die Zürcherinnen und Zürcher lieben das edle Interieur, das preislich faire Essen und die spezielle Architektur: 5 Meter hohe Räume und eine tolle Einrichtung machen das Bebek einmalig. Der mit viel Beton ausgestattete Raum – der eigentlich wenig Tageslicht bietet – spart nicht mit Hinguckern. Edle Leuchten, moderne Wandgemälde, bunter marokkanischer Steinboden und und schön gemusterter Spannteppich bilden einen spannenden, aber harmonischen Mix (und von den Toiletten haben wir ja bereits geschwärmt).
Restaurant Bebek
Badenerstrasse 171
8003 Zürich
3. Restaurant zum Kropf: Mittelalterliches Prunkstück
Im Kreis 1 gibt es einige Restaurants, die in historischen Bauten eingenistet sind. Das Restaurant Zum Kropf sticht heraus: Es ist eines der wenigen Restaurants, das seine originale Raumaustattung der Jahre 1880 bis 1890 unverändert behalten hat. Die Architekturgeschichte des Gebäudes reicht sogar bis ins Mittelalter zurück. Ende 18. Jahrhundert wohnte gar ein Bürgermeister im Haus! Die Restaurationsräume und die Fassade sind unter Denkmalschutz gestellt.
Das dreiteilige Restaurant betritt man im tiefer gelegten Eingangsbereich, dem „Bärengraben“. Daran anschliessend liegt das „Prunkstück“ des Restaurants, ein grosser Raum mit Säulen, Stuck, Deckenmalereien und tollen Leuchten. Im dritten Saal weiter hinten geht es dann etwas schlichter zu und her, dafür blickt man am weiss gedeckten Tisch auf alte Ölgemälde, etwa einem Bild von Zürich am See im 16. Jahrhundert. Passend zur kulturgeschichtlichen Bedeutung des Ortes serviert das Restaurant währschafte, gutbürgerliche Schweizer Küche.
Restaurant Zum Kropf
In Gassen 16
8001 Zürich
4. Restaurant Turbinenhaus: Geschichte der Seidenindustrie Zürich
Einst war die Seidenweberei in Zürich die wichtigste Exportindustrie. Die Seidenweberei Höngg – unweit der Hardturmbrache – entstand Ende 18. Jahrhundert und war bis zum ersten Weltkrieg einer der wichtigsten Arbeitgeber der Region. Heute sieht man noch das Turbinenhaus, das an der Südseite der Fabrik angebaut ist und wie eine Brücke über dem ehemaligen Fabrikkanal sitzt. Die Maschinen der Weberei wurden so mit Wasserkraft angetrieben. Das Restaurant Turbinenhaus ist heute ein schöner Verpflegungsort für alle, die unweit des Stadtzentrums an der Limmat flanieren. Es bietet einfache, ehrliche und hausgemachte Menüs in gepflegtem Ambiente.
Restaurant Turbinenhaus
Am Wasser 55
8049 Zürich
5. Giesserei: Industrielle St(r)ahlkraft
Im Zuge der Urbanisierung und des Wachstums der Stadt gibt es immer wieder alte Industriebauten und -hallen, die umgenutzt werden, weil das Gewerbe verschwindet oder wegzieht. So entstehen in alten Industriebauten Zwischennutzungen, anschliessend Loftwohnungen, Eventhallen oder eben Restaurationsbetriebe.
In Oerlikon entstand aus einer alten Giesserei, wo Metall-Legierungen zu Armaturen verarbeitet wurden, ein schickes Restaurant. Im Gegensatz zu Innenarchitektur die Rohbeton, Leitungen und Betonträger verdeckt, ist in der Giesserei Oerlikon (wie auch auf dem Titelbild zu sehen) alles offen gelegt und inszeniert. So gehören Rohre, Ventile und Schmelzofen zum heutigen postindustriellen, trendigen Charme.
Restaurant Giesserei Oerlikon
Birchstrasse 108
8050 Zürich
6. Kraftwerk: Co-Working Space im ewz-Unterwerk
Genau wie die Kalkbreite setzt auch das neu eröffnete Kraftwerk Café auf das vielzitierte „Work-Life“ Konzept – mit dem Gedanken, dass heutzutage in der Stadt Zeit und Raum optimal genutzt werden sollten, und das Arbeit und Leben möglichst nah aufeinander, gleichzeitig aber auch möglichst angenehm gestaltet werden sollte. Hier kann man gemütlich Kaffee trinken, oder sich mit dem Laptop für einige Stunden zurückziehen. In der Mitte des grossen Saals stehen gestapelte Schiffscontainer, die als Sitzungszimmer gemietet werden können. Vor dieser rohen Kulisse kommen die Sitzmöglichkeiten für Gäste, stilvoll mit Möbeldesign des 20. Jahrhunderts, umso besser zur Geltung. Modern ist nicht nur das Konzept, sondern auch das Essen: Das Kraftwerk setzt auf vegetarische Küche.
Kraftwerk Café
Selnaustrasse 25
8001 Zürich
7. Die Kantorei: Zürcher Original am Rindermarkt
Selbst am lauschigen Rindermarkt mit pittoresken Restaurants wie dem Neumarkt, der Öpfelchammer und der Bauernschänke sticht die Kantorei sofort ins Auge. Schön geschwungen ist das gesamte Haus, doch die vordere Fassade fällt zudem mit ihren schmalen, langen Fenstern und leicht gebogenen Glasscheiben auf. Die Kantorei erhielt 1968 vom Stadtrat die “Auszeichnung für gute Zürcher Bauten”, beherbergt hat sie schon die unterschiedlichsten Betriebe. Die Inneneinrichtung des Restaurants verbindet neue und alte Dekoelemente mit einem Augenzwinkern. Aber auch vor der Haustür gibt es spezielle Bauten zu entdecken: Die Kantorei hat ihren eigenen Hausbrunnen, den ehemaligen Jupiterbrunnen, der heute aber von der Göttin des Sieges, Nike, geschmückt wird.
Restaurant Kantorei
Neumarkt 2
8001 Zürich
Wo lässt es sich in Zürich sonst noch architektonisch eindrucksvoll speisen? Verrate mir Deinen Favoriten in einem Kommentar oder via insider@lunchgate.com.
mir fehlt das noch das Razzia!!!!
also da fehlt 100 % das Dolder der Lindenhofkeller und ausserhalb der Stadt hat es noch viel mehr und schönere Architektur aber bei euch hört ja Zürich an der Stadtgrenz auf!!
Lieber Urs, wo soll Zürich denn sonst aufhören? 😉
Spass beiseite. Der Beitrag soll natürlich eine Auswahl bieten, aber keine abschliessende Liste sein. Wir freuen uns immer über Ergänzungen aus der Community!
🙂 super Antwort, musste mehr als nur schmunzeln! Urs kann ja ein Bericht schreiben: „ALLE Restaurants mit einmaliger Architektur ausserhalb der Zürcher Stadtgrenze“
Danke für die Tipps! Das Kraftwerk kannte ich noch nicht. Das muss ich bei nächster Gelegenheit testen 😉
Das Widder Restaurant in der Architektur von Stararchitektin Tilla Theus ist natürlich schon auch noch einen Besuch Wert! Von aussen würde man es dem alten Gemäuer nicht zutrauen, dass da auch Designer-Suiten zu haben sind…